„Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom.”
(Albert Einstein)
Ob radikal oder liberal, ob rechts oder links, unsere Gesellschaft besteht aus einer Vielfalt unterschiedlicher Meinungen und Einstellungen. Und ganz ehrlich, das ist auch gut so.
Was wäre unsere Welt, wenn wir alle derselben Meinung wären? Allein die hochgepriesene Diskussionskultur an der Zeppelin Universität wäre unter diesem Aspekt nicht mehr dieselbe. Und ich bin mir sicher, den meisten unter uns würde dadurch etwas fehlen. Doch auch in den Vorlesungen kommt es vor, dass Studierende oder Dozierende unterschiedlicher Meinung sind. Damit umzugehen und trotzdem einen respektvollen und freundschaftlichen Umgang zu pflegen ist nicht für alle immer so ganz einfach.
Die 2016 gegründete Initiative will genau dies tun. Menschen aus verschiedenen Kreisen zusammenbringen und einen offenen, respektvollen Dialog starten. Die studentische Initiative Frühlingserwachen, die 2017 dann zum Verein wurde, sollte anfangs ein Gegenformat gegen die Alternative für Deutschland darstellen. Es hat sich allerdings schnell rausgestellt, dass lediglich eine innere Haltung gegenüber der rechtsradikalen Partei zu nichts führt, außer abends nach langen Diskussionen frustriert nach Hause gehen. Man wollte einen Raum schaffen, indem sich konstruktiv unterhalten werden kann und jede Meinung gehört wird. Der Gedanke einer gemeinsamen, offenen Gesellschaft, in der sich alle Menschen jeder Bevölkerungsgruppe mit verschiedenen sozialen Hintergründen und Biografien wohlfühlen steht hierbei im Vordergrund. Die Motivation der Initiative ist es, mit Menschen in Dialog zu kommen, mit denen man im Alltag vielleicht nicht ins Gespräch kommen würde oder um die man vielleicht sogar einen Bogen machen würde.
Wie viele von uns haben sich schon einmal ausführlich, ohne größeres Ärgernis mit einem rechtsradikalen unterhalten? Dieser Person aufmerksam und offen zugehört, ohne dabei ständig den Kopf zu schütteln? Wenn wir ehrlich sind, wahrscheinlich die wenigsten.
„Frühlingserwachen“ möchte aber nicht nur Menschen mit unterschiedlichen politischen Meinungen zusammenbringen. Jeder, der möchte, kann kommen und findet Innerhalb der Initiative aufmerksame Zuhörer und Zuhörerinnen. Es geht auch um Gefühle, Ängste und Hoffnung. Man wird gehört und akzeptiert.
Ein Format, das der Verein anbietet, ist der sogenannte Frühstücksbus. Hierbei gehen die Ortsgruppen in unterschiedlichen Städten an Orte, an denen sich viele Menschen befinden und jeder, der möchte, kann mit Gebäck und Kaffee mit anderen Mitbürger:innen ins Gespräch kommen und zusammen in den Morgen starten. Ein Austausch, der einen mit Sicherheit über einen Perspektivenwechsel nachdenken lässt.
Durch die aktuelle Pandemie war ein gemeinsames Frühstück allerdings nicht möglich. Die Stadt Friedrichshafen änderte jeden Tag die Regeln, bezüglich öffentlicher Aktionen und somit musste der Frühstücksbus erst mal stillstehen. Das Team ließ sich dadurch jedoch nicht abbringen Menschen zusammenbringen und holte die wandernden Stühle ins Leben. Wo früher der Frühstücksbus stand, stehen dort nun bunt bemalte Stühle, die darauf warten, dass sich Interessierte dazu setzen und über ihre Ängste, Sorgen und Gefühle sprechen. Oder einfach mal zuhören, auch das kann zwischen all dem Trubel mal ganz erfrischend sein. Es ist immer ein kann, keiner muss.
Vielleicht fragt sich der ein oder andere nun, ob dieses Konzept funktioniert. Eine Gruppe von Menschen, die mit bunten Stühlen darauf wartet, dass man sich zu ihnen setzt. Erinnert mich im ersten Moment an eine Organisation, die einem etwas verkaufen wollen und man sich schnell eine Ausrede einfallen lässt, warum man gerade überhaupt keine Zeit hat, sich zu unterhalten. Und ja, die meistgestellte Frage die Frühlingserwachen hört ist: „Seid ihr eine religiöse Gruppe, sammelt ihr Spenden? “ denn die Leute sind skeptisch und trauen sich nicht sofort sich zu öffnen. Doch tatsächlich funktioniert das Konzept von Frühlingserwachen sehr gut. Fakt ist, dass sich Menschen zunehmend in unserer heutigen Gesellschaft überhört fühlen. Sei es die Angst um die immer größer werdende Klimakrise oder die persönliche Berufssituation, viele haben Redebedarf und dafür sind die bunten Stühle genau die richtige Anlaufstation! Manche trauen sich anfangs nicht und kommen einige Tage später wieder, wenn sie sich es nochmal durch den Kopf gehen lassen haben.
Diese Aktion findet immer halbjährig in den jeweiligen Ortsgruppen statt und das ein oder andere Gesicht sieht man jedes Mal aufs Neue. In Friedrichshafen kamen teilweise 800 Leute in einer Woche, die sich für andere Meinungen, andere Bürger:innen und andere Kulturen interessierten. Ein Erfolg, den Frühlingserwachen stolz präsentieren kann.
Damit auch nichts schief geht während den Aktionen, bekommen das Kernteam, welches aus 60 Mitgliedern besteht, am Anfang jeweils ein Kommunikationstraining. Hierbei geht es darum, mit anderen Meinungen umzugehen und, falls nötig, zu deeskalieren. Einfach zu verschwinden, wenn es einem zu viel wird und man die Meinung anderer nicht aushält, kommt für die Mitglieder von Frühlingserwachen nicht infrage. Reden und reden lassen, das ist hier die Devise. Vielleicht ein Tipp, den auch wir in unserem Alltag öfters wahrnehmen sollten.
Gesellschaftspolitisch ja, parteilich nein! Der Verein setzt sich keine spezifischen Ziele, die auf eine politische Agenda passen. Sie möchten allgemein keine klaren Ziele definieren, sondern einfach spontan ins Gespräch kommen und oftmals ergeben sich daraus Ideen und Projekte, an denen man arbeiten möchte. Schweigen zu brechen muss nicht immer politisch sein, es kann und sollte auf allen gesellschaftlichen Ebenen stattfinden.
Andere Meinungen akzeptieren, aushalten und miteinander kommunizieren, das ist das Geheimnis hinter der Initiative im Spotlight im September.
Doch auch bei Frühlingserwachen ist nicht alles immer so bunt wie der Name. Zum gemeinsamen Team Foto kamen alle Mitglieder unabhängig voneinander in Schwarz und Grau gekleidet. Doch dafür strahlten sie an diesem Tag dann besonders schön!
Falls ihr nun Lust auf mehr habt und euch auch bei Frühlingserwachen für eine kommunikativere und offenere Gesellschaft einsetzten möchtet, freut sich das Team euch am Montag, den 08.11.2021 um 15 Uhr am Fab beim Kick-off kennenzulernen!
Für nähere Infos checkt doch mal wie üblich die Social-Media-Kanäle von Frühlingserwachen aus.