Schon zu Lebzeiten hat Graf Ferdinand von Zeppelin sichergestellt, dass man ihn in Friedrichshafen nicht mehr so schnell vergisst: Unter anderem tragen ein Museum, eine Stiftung und nicht zuletzt eine Universität seinen Namen; einer der größten Arbeitgeber der Region geht auf sein Werk zurück. Und trotzdem hat den alten Grafen schon lange niemand mehr nach seiner Meinung gefragt. Futur drei hat den Toten zurückgeholt und als Kolumnisten engagiert, der sich einmal im Monat zu Wort meldet. Sein heutiges Thema: Der Graf und der ZU-Spirit.
So sehr ich es genieße, mich mit dieser Kolumne aus dem Reich der Toten zu Wort zu melden, habe ich auch schon die Nachteile des Kolumnistendaseins kennengelernt. Natürlich stört der stetige Schaffensdruck die Vorzüge der so genannten ewigen Ruhe, aber der Stress ist mir natürlich nicht neu – wenn man beim Jungfernflug des ersten Zeppelins mitgefiebert hat, bringt einen so schnell nichts mehr aus der Ruhe. Viel unangenehmer finde ich es, von meinen immer zahlreicher werdenden Fans erkannt und im Alltag angesprochen zu werden. Diese Bürde der eigenen Bekanntheit ist nichts Neues für mich. Aber schon zu Lebzeiten habe ich mich lieber meiner Arbeit gewidmet, als mich mit Fans zu unterhalten.
Genau das ist mir aber am vergangenen Montag passiert. Ich hatte mich gerade an meinem Lieblingsort in der Universität eingerichtet und wollte den Tag damit verbringen, meinen neuesten Geistesblitz zu Papier zu bringen – einen mit Luft gefüllten Zeppelin, mit dem man durch den Bodensee tauchen kann. Mein Schaffen wurde allerdings von einem Studenten gestört, der sich ungefragt neben mich setzte und versuchte, ein Gespräch mit mir zu beginnen. „Was ist eigentlich für dich Spirit?“, fragte mich der Jüngling. Nun bringe ich den Studenten an meiner Universität natürlich stets eine gewisse Sympathie entgegen. In diesem Moment war ich allerdings so empört über die plumpe Vertraulichkeit des Jungen, dass ich beleidigt davonrauschte.
Im Nachhinein tut mir mein Verhalten natürlich leid. Als General und Kolumnist bin ich mir meiner Verantwortung durchaus bewusst. Und die Frage nach dem Spirit ist tatsächlich eine wichtige. Deswegen bin ich auch froh, dass sie mir euer Kommilitone gestellt hat. Und das, obwohl ich der S-Frage mittlerweile überdrüssig geworden bin. Ihr müsst verstehen, dass ich mich mit den verschiedenen Spielarten dieser Frage mittlerweile seit etwa 150 Jahren befasse und auch nach meinem Tod die verschiedensten Diskussionen aus dem Hintergrund verfolgt habe. In der Armee war es klar, was den „Spirit“ ausmacht: Es waren Kameradschaft, Disziplin und das gemeinsame Ziel, den Feind zu überwinden. Beim Bau der Zeppeline, in meiner Stiftung, den verschiedenen Firmen und seit 2003 auch in meiner Universität: Immer war das gemeinsame Schaffen von einem Geist getragen. Und gerade in der Zeppelin Universität wurde wieder und wieder diskutiert, wie man diesen Geist beschreiben kann. Und dabei ist der Spirit meiner Universität, an dem ich mich immer erfreut habe, langsam immer schwächer geworden. Nicht von heute auf morgen, sondern Stück für Stück ist er in den Hintergrund getreten und wurde von einer störenden Diskussion überdeckt, in der es nur um eben diesen Spirit ging.
Versteht mich nicht falsch: Ein gemeinsames Ziel, eine Vision, zu formulieren, ist hilfreich, wenn man dem Spirit auf die Spur kommen will. Aber man kann ihn nicht künstlich erzeugen, indem man ihn bis zur Erschöpfung debattiert wie die Parlamentarier. Diskussion ist wichtig, aber nicht um der Diskussion willen. Großartiges entsteht immer dann, wenn man es macht. Als ich 1870 hinter den feindlichen Linien festsaß, habe ich mich nicht in den Staub gesetzt und darüber sinniert, in welchem Geiste ich dieser Herausforderung begegnen soll. Ich habe dem Feind ein Pferd entrungen, das Gelände ausgekundschaftet und mir durch meinen Wagemut einen Namen gemacht.
Und so müsst ihr auch den Geist dieser Universität leben. Pläne sind natürlich wichtig. Man muss wissen, wo man den Feind angreifen will und wer den Oberbefehl hat. Aber im Feld entscheidet dann der Einzelne, wie er sich verhält. Der Spirit ist das, was ihr daraus macht. Also macht! Der Spirit ist das, womit ihr die Universität erfüllt. Also füllt die Universität – aber nicht nur mit rhetorischen Luftblasen. So wie ihr miteinander umgeht, so gestaltet ihr auch den Spirit.
Nachts die Universität anzumalen ist Spirit – aber nur dann, wenn man nicht einfach den Spirit an die Wand malen will. Sich für andere einzusetzen und Blut zu spenden ist Spirit – aber nur dann, wenn man auf der Liege nicht dem eigenen Spirit applaudiert. Eine Morgensendung im Unirundfunk ist Spirit – aber nur dann, wenn man sie aus Freude am Rundfunk macht.
Dort, wo ihr im Alltag das außeralltägliche wagt und diesen Ort zu etwas Besonderem macht, findet man den Geist, von dem ich meine Universität durchdrungen wissen will. Und dazu trägt jeder einzelne auf seine eigene Art bei. Ich freue mich jedes Jahr wieder, wenn ihr bei den Euromasters die Flagge der ZU hochhaltet. Das ist eine Art, Spirit zu zeigen. Aber auch nur eine Art! Wer in Friedrichshafen sitzt und sich seinem Studium widmet, das Essen kocht und Bachelorarbeiten betreut, kann genauso viel zum Geist dieser Universität beitragen. Es gibt keinen einheitlichen Spirit, vergesst das nicht. Er hat so viele Gesichter, wie diese Universität auch.
Liebe Grüße aus dem Reich der Geister
Graf Zeppelin