Schon zu Lebzeiten hat Graf Ferdinand von Zeppelin sichergestellt, dass man ihn in Friedrichshafen nicht mehr so schnell vergisst: Unter anderem tragen ein Museum, eine Stiftung und nicht zuletzt eine Universität seinen Namen; einer der größten Arbeitgeber der Region geht auf sein Werk zurück. Und trotzdem hat den alten Grafen schon lange niemand mehr nach seiner Meinung gefragt. Futur drei hat den Toten zurückgeholt und als Kolumnisten engagiert, der sich einmal im Monat zu Wort meldet. Sein heutiges Thema: Der Graf verabschiedet sich in die Winterpause.
In der Weihnachtszeit wird mir immer wieder gewahr, was für eine große Belastung es ist, ein Geist zu sein: Wie gerne würde ich wieder in einen kandierten Apfel beißen. Wie sehr vermisse ich es, wie in der Armee damals meinen Glühwein zu trinken. Jeden Kadetten konnte ich damals unter den Tisch trinken, heute kann ich nicht einmal den Becher halten. Es hat aber auch Vorteile, nur ein Besucher aus dem Reich der Toten zu sein. Am meisten freue ich mich darüber, dass ich nicht mehr friere, seit ich ein Geist bin. Gerade jetzt, da es auch am Bodensee immer kälter wird, ist das nicht zu unterschätzen – vor allem, wenn man wie ich noch immer gerne über den Bodensee und die Alpen fliegt. Da kann es schon mal ein wenig zugig werden. Und ich war schon zu Lebzeiten kein Freund von eisigen Temperaturen.
Ja, es ist kalt geworden in den letzten Wochen. Und das kündigt immer auch einen Einschnitt im Alltag der Studenten an meiner Universität an. Wenn ich das richtig aus meinem Taschenkalender ablese, beginnt bei euch in dieser Woche die Vorbereitung auf die Prüfungsphase. Wirklich leer wird die Bibliothek jetzt, da ihr auf eure Klausuren lernt, wohl nicht mehr. Meine Lieblingsplätze sind jetzt schon Tag und Nacht von Studenten besetzt, die wohl zum ersten Mal in diesem Semester den Weg in die Universität gefunden haben. Deswegen habe ich am Wochenende einen kleinen Ausflug über den See gemacht und über die Zukunft meiner Universität nachgedacht.
Da steht im kommenden Semester eine große Herausforderung an, wie ich mir habe erklären lassen: Die Reakkreditierung. Ja, ich weiß, ich kann dieses Wort auch nicht mehr hören. Aber es handelt sich dabei wohl um die wichtigste Unternehmung seit langer Zeit. Vieles hängt von dieser Reakkreditierung ab. Deswegen ist auch die ganze Universität derzeit darauf getrimmt, dass der Alltag so reibungslos wie möglich über die Bühne geht. Der Laden soll laufen wie der gut geölte Motor eines Zeppelins. Ich bin auch sehr erfreut, dass die neue Leitung meiner Universität diese wichtige Unternehmung so konzentriert und gewissenhaft abarbeitet und bin mir sicher, dass alles zu einem erfolgreichen Abschluss kommen wird.
Besonders gefreut habe ich mich, als ich neulich im Forum die Gemeinderatssitzung beobachtet habe. So etwas hätte es früher nicht gegeben. Mir ist es ein besonderes Anliegen, dass meine Universität mit der Stadt eng verbunden ist, und da war es ein wichtiges Zeichen, dass die Gemeinderäte bei uns zu Gast waren und sich über alle Fraktionen hinweg für das Abenteuer „Zeppelin Universität“ ausgesprochen haben. Dabei haben sie alle vage Andeutungen auf ihn, dessen Name nicht genannt werden darf, gemacht, was mich dann doch verwundert hat. Aber die Präsidentin und der Kanzler sind sehr souverän damit umgegangen.
Ich hoffe, dass ihr im kommenden Jahr die Reakkreditierung weiter begleiten werdet. Und ich hoffe auch, dass ihr das kritischer und lauter macht, als es andere Stellen tun. Die Reakkreditierung steht so sehr im Mittelpunkt, dass alles andere dabei aus dem Blick gerät. Das habe ich gehört, als ich dem letzten Student Plenum, dem neuen Tiefpunkt studentischer Partizipation, einen kurzen Besuch abgestattet habe. Alles soll zurzeit glatt laufen, sogar die Studentischen Senatoren erscheinen mir weniger streitlustig als sonst. Ich habe vollstes Vertrauen in die Präsidentin, dass sie meine Universität zu einer erneuten Akkreditierung führen wird. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie eine Vision hat, ob sie selber das Luftschiff beim Jungfernflug steuern würde. In der Gemeinderatssitzung hat sie den Text einer PowerPoint-Folie vorgelesen und – wohl ohne es zu merken – an der Stelle, an der man „exzellente Studienqualität“ lesen konnte von einer „exzellenten Servicequalität“ gesprochen. Das hat mich ein wenig verwirrt.
Deswegen hoffe ich, dass ihr der Universität helft, nach der erfolgreichen Akkreditierung auch mal ein bisschen weiter zu denken als bis zur nächsten Reform des Studiums. Aber bis dahin ist noch ein wenig Zeit. Ich evaluiere jetzt noch alle Kurse (ich habe ja sonst nicht so viel zu tun), und ihr solltet das Gleiche tun. Danach mache ich ein wenig Urlaub in Frankreich, da war ich seit 1871 nicht mehr.
Frohe Weinachten und bis zum nächsten Jahr
Graf Zeppelin