Spanische Gelassenheit und schwäbischer Fleiß

Pedro Salzwedel – Ein spanischer Schwabe

Er bewegt sich langsam und bedächtig, fast gemütlich. Unter der Überdachung zwischen Halle A2 und A3 der Messe in Friedrichshafen steht die riesige Erscheinung im Schatten des Wellblechdaches, das auf jeder Seite von vier Säulen getragen wird. Vor ihm ergibt sich der Parkplatz für Aussteller und Mitarbeiter. Die Sonne scheint und ein kalter Wind weht über das Gelände. Als ein Mann in einer kleinen Piaggio-Ape vorbeifährt, winkt er ihm fröhlich zu. Sie kennen sich. Sonst steht er ruhig da. Nur einmal macht er kurz irgendetwas an seinem Fahrrad, das an einer der Säulen lehnt. Es geriet dabei Öl an seine Hand. Er wischt es vorsichtig und gründlich mit einem Taschentuch und legt es anschließend zerknüllt in einen Fahrradkorb. Ganz in schwarz gekleidet, mit einer gelben Warnweste fällt er nicht besonders auf, da man diese Montur hier auf dem Gelände immer wieder sieht. Seine Größe und Breite aber vermitteln das Gefühl von Respekt und dennoch ist er alles andere als furchteinflößend. Eine schicke schwarze Brille und ein fröhlicher Blick schmücken das braungebrannte Gesicht unter den kurzen schwarz-grauen Haaren.

Pedro Salzwedel arbeitet als Sicherheitsmann bei der Messe. Er macht das noch nicht ewig, erledigt seine Arbeit jedoch routiniert. „Ich habe einfach da angerufen und als sie fragten was ich denn vorweisen kann, hab ich gesagt, ich kann vier Stunden im Regen stehen“, erzählt Pedro als wolle er einen Tipp geben. Er habe zwar auch Zeugnisse, wüsste aber nicht wo sie sind. „So läuft das bei mir immer“, fügt er hinzu. Bewerbungen gab es bei ihm nie. Auch nicht vor seiner Ausbildung zum Stuckateur. Pedro Salzwedel wurde in Konstanz als Sohn spanischer Einwanderer geboren. Nach Spanien hat er keinen Kontakt mehr und auch aus seiner Familie ist niemand mehr dort. „Mallorca mag ich gerne“, sagt er, „da bin ich so alle zwei Jahre mal“.

Seine Spanischkenntnisse kommentiert er auch nur mit „un poco“. Aber es scheint ihn nicht zu stören. „Ich fühle mich eingefleischt in der Bodenseeregion“, erzählt er authentisch. Außerdem sei seine ganze Familie hier. Eine Frau, drei Kinder und mittlerweile sogar Enkel. „Ich bin Opa. Auch wenn man es nicht sieht“, sagt er grinsend. In der Tat sieht man es nicht. Auch, dass er eigentlich schon in Rente ist, kann man kaum glauben, wenn man beobachtet, wie er Messebesuchern mit deutlichen Armbewegungen und einem freundlichen Zunicken den Weg weist, während er Stunden am Stück an der selben Stelle steht. „Bald bin ich sogar auch in Bern auf der Spielzeugmesse. Ich freue mich schon auf einen Auslandseinsatz“, erzählt er aufgeregt, „Letztens hatte mich mein Chef zur ZF-Gala eingeteilt. Da war ich sehr stolz“.

Früher war Pedro Salzwedel Stuckateur. Er erzählt, dass er nie gut in der Schule gewesen sei. Deshalb hätte er sich früh Arbeit gesucht und in einer Siedlung in Konstanz für eine Baufirma endlos lange Gräben gebuddelt. Nach kurzer Zeit hat ihm die Firma eine Lehre angeboten und so begann er sich mit Stuck zu beschäftigen. Erst erklärt er: „Das mit Decken in Kirchen und Engel und so.“ Begeistert und fachmännisch erzählt er anschließend, dass zu dem Beruf auch die Herstellung von Böden, Bodenheizungen und einiges Anderes gehöre. „Kennen Sie die weiße Wand am Schloss unten zum See hin mit den Kanonenlöchern? Hier stehe ich vor Ihnen!“, ruft er selbstbewusst. Lange Zeit war Pedro Salzwedel der Haus- und Hofstuckateur des Herzoges von Württemberg. „Oft brechen Stücke heraus und wir müssen sie dann wieder einschalen“. Eine Krankheit hat ihn dann daran gehindert weiter zu machen. „Sie haben mich dann in Rente entlassen und dann habe ich irgendwann hier angerufen.“ Er mag traurig sein, dass er nicht mehr als Stuckateur arbeiten kann, denn wenn er davon erzählt, dass man mittlerweile zum Beispiel auch Gipsböden mit Bodenheizungen baut, merkt man, dass ihn das Ganze immer noch begeistert. Und dennoch ergibt sich nicht der Eindruck, dass ihm etwas fehlt, wenn er ruhig und gelassen zwischen den sich schnell bewegenden Drehtüren der zwei Hallen hin und her läuft. „Ich bin zwar dumm aber fleißig“, sagt er plötzlich.

Erst mit ernstem Blick. Dann lockert er sich und lächelt. Während er stolz von seiner jüngsten Tochter erzählt, die grade ein halbes Jahr in Südamerika war, merkt man, dass er zufrieden ist. „Da gibt es so eine Organisation, ‘Work&Travel‘ heißt das, die organisieren das Ganze“, erklärt er interessiert weiter.

Im Hintergrund ist der Lärm von Autos und Flugzeugen zu hören, die nicht weit von der Messe starten. Ständig, während er erzählt, tönt eine Frauenstimme aus seinem Funkgerät. Pedro Salzwedel bleibt entspannt und scheint es absichtlich zu überhören. Es zeichnet sich auf angenehme Weise ab, dass er sich irgendwo zwischen schwäbischer Arbeitsmoral und spanischer Gelassenheit befindet.

Um 12:00 Uhr endet seine Schicht. Er schließt sein Fahrrad los und radelt davon. Pedro fährt zurück nach Hause zu seiner Familie. Morgen ist er wieder hier. Und bald wieder auf Mallorca.

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