Einmal Schweben bitte!

Jono McCleery schafft mit seinem neuen Album Pagodes das, was man sich von Popmusik im Jahr 2016 erhofft.

Selten hat man das Gefühl, beim Hören einer neuen Platte wirklich Neues zu entdecken. Jono McCleery schafft es mit seinem Drittwerk Pagodes, das jetzt bei If Records erschienen ist, genau das zu erzeugen. Seit seinem letzten Album, das vor vier Jahren erschien und seither viele gute Kritiken einheimsen konnte, hat er beim Songwriting keinen Gang zurückgeschaltet. Er mischt verschiedenste Klänge, arrangiert opulente Streichersätze, jazzt mit seiner Stimme orientalisch durch die Tonleitern, die Texte düster und schön. Wichtig bleiben aber natürlich auch die sanften Pickings auf der Akustik-Gitarre. Das ist Kunst.

This Idea Of Us leitet das Ganze ein. Sehr gefühlvoll eingesetzte Streicher, ein durchlaufendes Gitarrenpattern wie man es beispielsweise von Jose Gonzales kennt und viel orientalische Melodieführung. Gegen Ende baut sich das Stück stark auf und klingt dann so sanft ab wie es angefangen hat. Man spürt schon jetzt, dass hier etwas Besonderes geschaffen wurde.

Der zweiten Song Age Of Self stammt aus der Feder des britischen Musikers Robert Wyatt. McCleery macht aus dieser Anti-Thatcher Hymne der 80er Jahre seinen eigenen sehr ruhigen, bedächtigen Song. Die Melodie wirkt wie auf ihn zugeschnitten und er vermittelt die Botschaft so, wie Wyatt es sich damals wahrscheinlich vorgestellt hat.

Since I beginnt mit schimmerndem Sound und vorsichtig elektronischem Beat. Im Hintergrund das Knistern einer Vinylplatte. Ziemlich gut für mit Café del Mar überladene Strandbars. „Since I found you, Hands of stone shatter glass, Since I held onto you, We felt our spirit grow“.

In Painted Blue klingt seine Stimme so sehr nach dem britischen Singer-Songwriter Fink, dass man sich unsicher werden kann, wer da jetzt singt. Prägend für diesen Song sind die Scratches, die das harfenartige Geklimper und die Streicher immer wieder kurz unterbrechen. Der Refrain ist herrlich einprägsam: „And turn your soul into the one you held onto was true.“

Mit einem holprigen Off-Beat und einer nach Harfe klingenden Gitarre ist Ballade der erste, ganz vorsichtig gesagt, schwungvolle Track. Mit Bläsern, Klimpern und einem kurzen klangkunstartigen Break sehr überzeugend. Das ist so noch nicht da gewesen und es groovt wahnsinnig. Alle Elemente sind wild zusammengewürfelt und bilden dennoch ein Ganzes.

Und es geht immer weiter mit der bunten Mischung. Bei Halfway mit Trompeten und ausnahmsweise klarem Beat, opulenten Streichern und den Worten: „I keep believing that you are halfway high“. Hier besonders, aber auch auf dem gesamten Album, fühlt man sich als Zuhörer schwebend in den Klängen wieder. Und man kann sich kaum davon lösen, wenn man sich auf die 12 Titel einlässt.

Mit Piano kann er auch, wie er bei Fire In My Hands zeigt. Diesen Song kann man sich gut in riesigen Hallen mit großem Orchester vorstellen. Er macht das wie die großen Swing-Sänger, ohne dabei so zu wirken wie diese. Dafür fehlt dem Stück die Durchschaubarkeit, und gerade das macht es so reizvoll.

Beim vorletzten Stück Pardon Me kommt nach purem Piano und McCleerys Stimme noch ein kurzes, frickliges E-Gitarren Solo, perfekt eingesetzt an dieser Stelle. Auch hier sind es Jazz Harmonik und das orientalische in der Melodie, was diesen Track einzigartig macht,

So Long schließt das Werk mit einem Orchester, das den Beat vorgibt. Jetzt sogar mit Paukenklang, dazu diese herausragende Stimme. Es wirkt wie die meisten Stücke auf der Platte wie das aufwändig komponierte Werk eines Meisters.

Jono McCleery überzeugt in allen Hinsichten. Er komponiert dieses Album von vorne bin hinten durch und lässt sich nicht im Geringsten eingrenzen was die Kreativität angeht. Von kratzenden Geräuschen und Scratchings über elektronische Beats bis hin zu romantischem Orchesterklang und ungemütlicher Jazz-Harmonik bietet Pagodes fast zu viel um wahr zu sein. Es ist nicht einfach nur dick aufgetragen, sondern in den entscheidenden Momenten auch zurückhaltend. Das alles wäre jedoch nicht das was es ist ohne seine Stimme, die mit ehrlichem Gefühl und einer unheimlichen Präzision besticht, ohne sich dabei selbst einzugrenzen. Dieser Mann kann es und bringt den Beweis, dass Popmusik nicht bloß aus einem Mix des letzten Jahrhunderts bestehen muss.