Interview mit dem Initiator von Friedrichshafenzero

Leon Beck ist der Initiator der LocalZero-Bewegung in Friedrichshafen. Entsprungen aus “Germanzero”, einer Initiative, die bereits deutschlandweit rund 90 Ortsgruppen unterstützt, die Stadt per Klimaentscheid zur Klimaneutralität zu verpflichten. Gemeinsam mit anderen Anhängern der neugegründeten Initiative “FriedrichshafenZero” möchte das Team, Friedrichshafen bis 2035 klimaneutral gestalten. Futurdrei hat Leon zu einem Interview getroffen und ihn gefragt, wie diese Klimawende in Friedrichshafen möglich gemacht werden soll.

Futurdrei: Hallo Leon. Du bist Gründer von einer neuen Initiative namens FriedrichshafenZero. Ihr möchtet Friedrichshafen klimaneutral machen. Wie?

Leon Beck: Ich würde mich eher als Initiator von FriedrichshafenZero bezeichnen. Ich arbeite seit mehr als eineinhalb Jahren im Team von Klimaplan Markdorf. Dort haben wir im Frühjahr dieses Jahres einen Grundsatzbeschluss erreicht, dass die Stadt bis 2035 klimaneutral werden möchte – als Gesamtstadt. Ein ambitioniertes Unterfangen. Da haben wir recht schnell gemerkt, dass wir allein als Kommune nicht so gut vorankommen und dass sich auch auf Kreisebene viel ändern muss im Bodenseekreis. Und dementsprechend haben wir uns dann gesagt, alleine haben wir nicht so eine große Stimme, also versuchen wir doch in anderen Städten auch eine LocalZero-Bewegung zu initiieren und bei der Gründung von lokalen Teams zu unterstützen. 

Futurdrei: Und jetzt hat sich ein lokales Team für Friedrichshafen gefunden? 

Leon Beck: Genau. Schon seit Längerem waren wir mit der Gruppe der Fridays for Future Bodensee im Austausch, die ihrerseits bereits Kontakt zur Stadt Friedrichshafen aufgenommen hatten. Aus dem Umkreis dieser Gruppe und weiterer Organisationen hat sich jetzt ein Team gefunden. 

Futurdrei: Eure Initiativenarbeit in Friedrichshafen beginnt ab jetzt. Was sind nun die konkreten Schritte, um Friedrichshafen klimaneutral zu machen? Wie wollt ihr das anstellen? 

Leon Beck: Also der Kern des Ganzen ist, dass man einen Plan erstellt, der vom Ziel her gedacht ist. Das heißt: erst mal das Ziel zu definieren, wann man klimaneutral sein möchte – und dieses Ziel vor 2035 zu setzen, da es nur dann einen gerechten Beitrag zur Einhaltung der 1,5 Grad Grenze leisten kann. Und dann, wenn man dieses Ziel als Gemeinderatsbeschluss gefasst hat, kann man eine Planung dafür beauftragen, die die Gesamtstadt betrachtet. Sprich nicht nur die Stadtverwaltung, was bei vielen Klimaschutzkonzepten bisher der Fall war, sondern ein Konzept, dass den Fokus auf die Gesamtstadt ausweitet. Und das definiert: Welche Maßnahmen müssen wann begonnen werden, um dann auch anzukommen? Für diesen Prozess setzt man einen Zeitrahmen von etwa einem Jahr. 

Futurdrei: Wie weit seid ihr in diesem Vorhaben?

Leon Beck: Um einen ambitionierten Grundsatzbeschluss zu erreichen, werden wir erst einmal Gespräche mit der Stadtverwaltung führen, da hat auch schon ein erstes stattgefunden. Dann muss dieses Ziel vom Gemeinderat gefasst werden. Wenn die Gemeinderäte sich nicht dafür begeistern lassen, kann das Ziel alternativ auch im Rahmen eines Bürgerbegehrens gesetzt werden. Sprich über den Weg der direkten Demokratie. Auch wenn dies nicht unbedingt der eleganteste Weg ist.

Futurdrei: Wie lief denn das erste Gespräch mit dem Gemeinderat in Friedrichshafen? Seid ihr positiv, dass der Grundsatzbeschluss bald auf den Weg gegeben werden kann?

Leon Beck: Das Gespräch war ganz positiv. Es gibt auch schon einen Klimaneutralitätsbeschluss der Stadt Friedrichshafen, allerdings mit Zieljahr 2050. Aktuell läuft eine Prüfung, was es bedeuten würde, dass Ziel auf 2035 vorziehen. 

Futurdrei: Und es wird geprüft, ob es überhaupt machbar ist, Friedrichshafen bis 2035 klimaneutral zu machen, mit all den Maßnahmen, die dafür greifen müssten? 

Leon Beck: Ja beziehungsweise was dies finanziell bedeuten würde und welche anderen Rahmenbedingungen noch geschaffen werden müssten. 

Futurdrei: Ich kann mir vorstellen, dass sich viele Städte oder Kommunen auch gerne Klimaneutralität auf die Fahne schreiben. Nach dem Motto: Hier schaut, wir arbeiten mit dieser Initiative zusammen und setzen uns für Klimaneutralität ein. Aber inwiefern ist man da dann auch wirklich an ein solches Abkommen gebunden? Und wenn ja, gibt es da Kontrollmechanismen, die jährlich auswerten, was in dem Jahr wirklich erreicht wurde? Sprich: Wie setzt GermanZero es um, dass dieses Abkommen nicht nur Greenwashing ist? 

Leon Beck: Das ist tatsächlich ganz unterschiedlich, wie ernst die Städte das nehmen und was daraus für Konsequenzen folgen. Im Idealfall umfasst ein Klima-Aktionsplan ganz klare Zwischenziele und ist aufgegliedert in meist 5 bis 7 Sektoren, sodass man genau sagen kann, welcher Sektor wann welches Reduktionsziel erreicht haben muss. Und parallel etabliert man dann – um dies auch überprüfen zu können – ein Monitoring. Meistens in einem Zwei-Jahres-Rhythmus. Das wäre der Idealfall, darauf arbeitet man hin. Er tritt aber nicht immer ein oder nicht von vornherein. So auch in Markdorf: Hier ist es aktuell der Fall, dass wir einen Grundsatzbeschluss haben und damit müsste jetzt der Aktionsplan beauftragt werden, ausgearbeitet werden und der sollte dann auch das alles umfassen. Genau das ist aber seit über einem halben Jahr nicht passiert. Das heißt, es ist noch nicht mal die Erstellung des Plans beauftragt. Damit, dass man diesen Grundsatzbeschluss erreicht hat, ist der erste Schritt getan. Aber das ist nicht unbedingt der schwierigste Schritt. Oft wirds danach noch mal sehr mühsam.

Futurdrei: Was ist denn so ein konkreter Sektor in einem Klima Aktionsplan, bei dem man eine Reduktion der Emissionen erreichen sollte? 

Leon Beck: Einer ist meistens unter Wärme und Gebäude zusammengefasst, einer ist Mobilität einer beispielsweise Industrie. Und wenn man sich den Bereich Wärme anschaut, dann kann zum Beispiel eine Wärmeleitplanung ein Teil davon sein, sprich eine Konzeption, die für alle Gebäude auf dem Stadtgebiet bis 2035 die Möglichkeit einer klimaneutrale Wärmeversorgung sicherstellt? Und dann wird definiert: Wo braucht es ein Fernwärmenetz? Wo kann man mit Wärmepumpen arbeiten?
Oder im Bereich Mobilität wird festgestellt, dass in diesem oder jenem Bereich weiter der öffentliche Nahverkehr oder die Fahrradwege ausgebaut werden sollten.

Futurdrei: Der Sektor Industrie wäre ja für Friedrichshafen durchaus spannend.

Leon Beck: Ja, durchaus.

Futurdrei: Gibt es da bereits Ansätze, wie man die Industrie in Friedrichshafen und die Klimaneutralität unter einen Hut bekommen könnte? 

Leon Beck: Das Anliegen des FriedrichshafenZero-Teams, ist erst einmal der Richtungsentscheid, der sich an die Politik richtet und dabei die Gesamtsituation umfasst. Wenn die Industrie einen solch großen Teil an den Emissionen ausmacht, wird es natürlich spannend zu untersuchen, welche Hebel man als Stadt hat, die Industrie dazu zu bewegen, auf das gleiche Ziel hinzusteuern. In Friedrichshafen sind es immerhin rund die Hälfte der Emissionen, die von nur sehr wenigen großen Betrieben verursacht werden. Und damit ist dies super relevant. Aber gerade, wenn man sich jetzt die Wärmeplanung anschaut, ist es natürlich auch sehr interessant, sich bewusst zu machen, welches Potenzial man durch die Industrie hat, indem für gewöhnlich dadurch sehr viel Abwärme zur Verfügung steht, die zur Wärmeversorgung von Gebäuden genutzt werden kann. Somit ist es aus mehreren Gründen wichtig, sehr eng mit der Industrie zusammenzuarbeiten.

Futurdrei: Wenn die Industrie eine so große Rolle in einer Stadt spielt, wie beispielsweise in Friedrichshafen beispielsweise, müsste man dann nicht auch die großen Industrieunternehmen miteinbeziehen und denen den Plan schmackhaft machen, damit dieser funktionieren kann? 

Leon Beck: Grundsätzlich werden die Rahmenbedingungen von der Politik gemacht und daher arbeitet GermanZero einmal auf Bundesebene bundespolitisch und auf kommunaler Ebene lokalpolitisch. Und in diesen politischen Rahmen muss sich eigentlich alles, auch jeder Industriebetrieb einfügen, sprich theoretisch hat man darüber die Möglichkeit, diese indirekt zu gestalten. Es ist natürlich vor Ort dann wesentlich schwieriger, sodass es teils auch Initiativen gibt, die nicht einen Grundsatzbeschluss, der sich auf die Gesamtstadt bezieht, vorantreiben, sondern mehrere Beschlüsse, die sich auf einzelne große Akteure beziehen. Mainz ist so ein Beispiel. Dort gibt es eine Forderung an das Stadtwerk. Dann gibt es eine weitere Forderung an einen anderen Eigenbetrieb der Stadt. Aber im Kern ist der Ansatz von LocalZero erst auf die politische Ebene zu gehen. Während es andere Organisationen wie beispielsweise die Klimawende von unten gibt, die sich immer nur an einzelne Akteure richten, sprich einen Industriebetrieb oder ein Kraftwerk. 

Futurdrei: Für die Leute, die das hier jetzt lesen und Interesse an der Initiative bekommen haben, was bedeutet es bei euch Mitglied zu sein oder was für Aufgaben, Herausforderungen oder auch spannende Momente kommen da auf einen zu? 

Leon Beck: Ich meine, man kann recht viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen kennenlernen, weil es um eine gesamtgesellschaftliche Transformation geht. So steigt man auch vielfach in neue Themen ein, die einem bis dahin fremd waren, in die man sich dann jedoch immer weiter rein vertiefen möchte, da sie das eigene Interesse wecken. Vielleicht wäre man auf diese ohne das ehrenamtliche Engagement gar nicht aufmerksam geworden.
Insgesamt ist die Art und Weise, auf welche man sich einbringen kann, recht breit gefächert. Ein großer Teil ist Öffentlichkeitsarbeit. Gerade wenn es um ein Bürgerbegehren geht und darum, dieses entsprechend vorzubereiten und durchzuführen. Doch auch eine Verwaltungsstruktur zu verstehen kann spannend und hilfreich sein, um zu verstehen, wie Entscheidungsprozesse ablaufen und zu wissen, wo man einhaken kann.
Der Ansatz ist, dass die Arbeit weniger aktivistisch ist, so wie man es vielleicht von anderen Gruppen kennt, sondern eher pragmatisch. Das man sehr zielgerichtet mit der Verwaltung in Kontakt tritt und unterstützend arbeitet. Immer jedoch mit einer kritischen Distanz. Und stets überparteilich. Denn wir sind uns im Klaren darüber, dass wir alle zusammen am Ziel ankommen müssen. Dazu brauchen wir alle Menschen mit im Boot. Und dann muss man auch mit allen sprechen. 

Das Interview führte Leonie Georg, leitende Redakteurin von Futurdrei.