Forscher über dem Datenmeer: Ein Interview mit Prof. Dr. Scharkow

Tabellen und Graphen aus Unmengen Daten erstellt der Forscher gewusst wie. Collage: Karina Reisenegger

Wohl begonnen ist halb gewonnen. Seit Februar doziert Michael Scharkow im Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Digitale Kommunikation. Zuletzt war er an der Universität Hohenheim am Institut für Kommunikationswissenschaften beschäftigt, nachdem er an der Universität der Künste Berlin mit dem Thema „Inhaltsanalyse und maschinelles Lernen“ promovierte. Nach knapp einem Semester wollten wir ihn näher kennenlernen:

 

Hatten Sie schon vorher von der Zeppelin Universität gehört? Wenn ja, was?

Ich kannte die ZU schon recht lange, allerdings immer nur aus Perspektive der Lehrenden und nicht aus Studierenden-Sicht. Eine Freundin, mit der ich an der FU Berlin studiert habe, hat nach ihrem Abschluss 2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin hier angefangen. Damals war der Kulturschock natürlich groß – von einer riesigen staatlichen Uni in der Hauptstadt zu einer kleinen, privaten Hochschule irgendwo im tiefen Südwesten. Keine drei Opern und hunderte Studiengänge mehr, aber auch keine Seminare mit 100 Teilnehmern und keine sechs Monate Wartezeit für einen Dienstreise-Antrag. Seitdem habe ich regelmäßig von der ZU gehört. Meistens auf Tagungen von Kollegen aus der Kommunikationswissenschaft, später natürlich dann in den Medien vom Ende der “Jansen-Ära”.

Was war Ihr stärkstes Argument gegen die ZU?

Ein richtig starkes Argument gab es nicht, sonst wäre ich ja auch nicht hier. Natürlich würde ich mir als Wissenschaftler mehr Kolleginnen und Kollegen aus dem eigenen Fach wünschen weil der Ideenaustausch davon enorm profitiert. Aber einerseits gibt ja viele Kooperationsmöglichkeiten außerhalb der ZU, andererseits bin ich auch neugierig, etwas über die Forschung in den anderen Fachbereichen zu lernen.

Wie sah Ihr erster Tag hier aus, wie wurden Sie empfangen?

Ich hatte am Morgen noch meine letzte Lehrveranstaltung in Hohenheim, bin von dort nach Friedrichshafen gefahren und war dann fast pünktlich zu einer CCM-Programmratssitzung hier. Nach der Sitzung und einem Kaffee mit den neuen Kolleginnen und Kollegen ging es zum FAB, wo nicht nur eine Willkommensmappe und ein fertig eingerichteter Arbeitsplatz auf mich warteten, sondern auch eine Masterstudentin, die mich als Betreuer anfragen wollte. Da fühlt man sich natürlich sehr willkommen. Am nächsten Morgen ging es dann schon mit neuen Lehrveranstaltungen los.

Wie waren die ersten Monate hier?

Neblig! Ich war zwar gewarnt worden, aber zwei Monate gar kein anderes Wetter? Ansonsten ist alles geradezu langweilig glattgegangen. Allerdings habe ich wegen des Uni-Wechsels seit Oktober praktisch pausenlos Lehrveranstaltungen gehabt und bin froh, wenn bald auch wieder mehr Zeit für Forschung ist.

Ihr bisheriger Eindruck von den ZU-Studis?

Sehr positiv. Ich wusste mangels eigener Erfahrungen nicht, was ich von Studierenden an einer Privatuni erwarten sollte, aber ich war und bin sehr beeindruckt wie viele Initiativen, Vortragsreihen und andere Veranstaltungen die Studis organisieren und wie neugierig und interessiert auch viele in den Seminaren sind. Die ZU mag eine kleine Uni sein, aber sie fühlt sich definitiv wie eine richtige Uni an, nicht wie eine Lehranstalt für junge Erwachsene. Das ist heutzutage nicht selbstverständlich.

Was fehlt der ZU?

Fehlen weiß ich nicht, aber Ressourcen kann man auch als Uni nie genug haben. Über doppelt so viele Mitarbeiter, Studiengänge, Räume oder Menü-Optionen in der Mensa würde sich wahrscheinlich niemand beschweren.

Wie hat sich der Studienalltag verändert, seit Sie studiert haben?

Fundamental. Ich habe noch im alten Magister studiert, noch dazu in Berlin, wo praktisch niemand in der Regelstudienzeit fertig wurde. Weil nur die Magisterprüfungen und Abschlussarbeit für die Note relevant waren, konnte man viel weniger ergebnisorientiert studieren, jedenfalls bis kurz vor Schluss. Ich habe dutzende Lehrveranstaltungen nur aus Interesse besucht, Prüfungsleistungen und Noten waren ziemlich egal. Das kann man sich heute nicht mehr erlauben, weil ja alle Noten zählen. Damit ist das Studieren sehr viel strategischer geworden. Das finde ich verständlich, aber furchtbar. Andererseits ist das Studium an der ZU viel freier als in vielen Studiengängen, wo man die Studierenden wie Grundschüler behandelt. Die bekommen jedes Semester ihren Stundenplan vorgesetzt, memorieren dann Folien für die Klausur und sind nach drei Jahren wieder weg. Dass das hier nicht so ist, kann man nicht genug loben.

Wann haben Sie festgestellt, dass Big Data und Digitale Kommunikation Ihre Steckenpferde sind?

Ich würde gar nicht sagen ‘Big Data und Digitale Kommunikation’, sondern nur ‘Data beziehungsweise Kommunikation’. Was genau jetzt große Datenmengen sind möchte ich gar nicht definieren. Und digitale Kommunikation ist einfach das Feld wo zur Zeit am meisten Los ist, sowohl Angebots- als auch Nutzerseitig. Wenn demnächst überraschend analoge Medien wieder relevanter werden würden, würde ich deren Nutzung genauso erforschen wollen. Wann habe ich das festgestellt? Ich habe einige Jahre als studentische Hilfskraft am Arbeitsbereich Empirische Kommunikationsforschung gearbeitet. Dort war immer klar, dass man nicht nur über Medien theoretisieren wollte, sondern den Anspruch hatte, zu messen, zu analysieren, Hypothesen zu testen. Und wenn man z.B. Online-Suchverhalten oder die Polarisierung in Kommentaren auf Facebook untersuchen möchte, sollte man auch solche Daten auswerten können. Wenn einem Programmieren Spaß bereitet, macht das die ganze Sache natürlich leichter.

Zu welchem Thema forschen Sie gerade?

Zur Zeit forsche ich vor allem zu methodischen Fragen der Mediennutzungs- und Wirkungsforschung, insbesondere zur Messung von Mediennutzung und Medieninhalten. Kurz gesagt: Welche Konsequenzen hat es, wenn wir Leute nach ihrer Mediennutzung fragen, diese sich aber beim besten Willen nicht erinnern können, wie viele Apps sie heute in welcher Reihenfolge genutzt haben. Gibt es hier alternative Verfahren, z.B. über digitale Verhaltensspuren, die weniger fehlerbehaftet sind, und praktisch nutzbar gemacht werden können. Sobald ich wieder etwas Zeit finde, will ich dann auch inhaltlich daran anschließen, indem ich Online-Nutzungsmuster und Medienrepertoires anhand von Verhaltensdaten analysiere.

Kann man darauf hoffen, dass underused.org bald mehr beansprucht wird?

Sollte man nicht. Der Name ist schließlich Programm!

Passt eine Bewerbung als wissenschaftliche/r Mitarbeiter/in in 140 Zeichen?

Wahrscheinlich nur mit Tricks: Entweder einfach Link auf die Bewerbung, oder besser noch die Unterlagen als animiertes GIF anhängen. Vielleicht reicht auch ein witziges Meme um zumindest zum Gespräch eingeladen zu werden.

Und zuletzt, bekommen wir mit Ihnen endlich den fünften Studiengang mit Digitalisierung und Big Data?

Noch weiß ich davon nichts, und so ein Studiengang würde in 5 Jahren ggf. schon wieder veraltet sein, oder wir müssen permanent neue Buzzwords in den Titel nehmen. Aber wäre mehr Digitalisierung und Big (und Small) Data in den vorhandenen Studiengängen nicht auch schon mal was? Das kann ich auf jeden Fall bieten.

 

Prof. Dr. Michael Scharkow, geboren in Schwerin und zuletzt an der Universität Hohenheim am Institut für Kommunikationswissenschaften beschäftigt; ist im Februar der Berufung an den Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaft der ZU mit dem Schwerpunkt Digitale Kommunikation gefolgt. Nach dem Publizistik- und Kommunikationswissenschaftsstudium an der FU Berlin promovierte er an der Universität der Künste Berlin mit dem Thema „Inhaltsanalyse und maschinelles Lernen“. Aktuell befasst Scharkow sich mit Aspekten der Wirkung und Nutzung digitaler Medien im Alltag; kritischen Phänomenen wie Cyber-Mobbing und Computerspielsucht sowie Big (and Small) Data. Seine Monographie „Autmoatische Inhaltsanalyse und maschinelles Lernen“ ist 2012 bei epubli erschienen. (Quelle: https://www.zu.de/universitaet/presse/pressemitteilungen/berufung-scharkow.php)

Prof. Dr. Michael Scharkow; befasst sich aktuell mit Aspekten der Wirkung und Nutzung digitaler Medien im Alltag, Phänomenen wie Cyber-Mobbing und Computerspielsucht, sowie Big (and Small) Data.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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