An einem kalten Abend im kleinen Friedrichshafen denke ich gerne an meine ersten Tage an der ZU zurück und erfreue mich an dem Gesang von Herrn Landkammer, welcher mit umgedrehter Cap, plötzlich mehr Ähnlichkeiten mit Capital Bra zu haben scheint, als mit sich selbst. Beim diesjährigen CCM-Abschluss scheute sich der Musik-affine Landy K nicht, die gesamte Institution kräftig aufzurütteln. Angefangen mit „Chaos Crisis Management“ – neuerdings auch CCM genannt, bekräftigte er die Idee Herr Sturm könne nach der geplanten Cannabis-Legalisierung doch gerne ein paar Pflanzen für uns Studis gießen und man solle sich ja keine Sorgen machen, falls die ZU zugrunde geht. Wir könnten uns einfach an die Treppe kleben, da wir so oder so die Letzte Generation der ZU wären. Wer Herr Landkammer kennt, weiß, dass er immerhin bis zu 50% seiner Beiträge an diesem Abend nicht ernst gemeint hat. Dennoch sprach er genau das aus, dass sich viele schon länger gefragt hatten: Sind wir wirklich die letzte Generation der ZU?
Um das zu beantworten müsste man kurz einen Blick in die Vergangenheit wagen. Mein ganzes ZU-Leben lang verfolgt mich schon dieselbe ach-so banale Frage: „Welche Farbe hat eigentlich ein Zebra?“. Ich kann mich noch gut an den Herbst 2018 erinnern, als Herr Jochum mich dies bei Pioneers-Wanted gefragt hatte. Man sah mir zu dem Zeitpunkt gewiss an, dass ich kurz in mich gehen musste. In meiner Vorbereitung zum Gespräch war mir klar, dass die ZU mir durchaus provokante Fragen stellen würde. Demnach war ich froh, dass ich wenigstens nicht gefragt wurde, ob ich denn kiffen würde oder ob ich die Demokratie abschaffen wollen würde. Wochen vor meinem Bewerbungsgespräch saß ich noch gespannt vor dem Laptop und versuchte so viel wie möglich über das Mysterium Zeppelin Universität herauszufinden.
Zu jener Zeit fielen in Berichten des Spiegels Begriffe wie „sonderbar“ und „skurril“, mit denen ich noch nicht viel anzufangen wusste. Doch wurde es mir klar, als ich das erste Mal das FAB betrat. Eine alte Kaserne, die für viele wohl das kreative Zentrum ihres Studiums ausmachte. Sofort fielen mir die vielen Kreidewände auf, welche diverse Schriftzüge hatten. Auf der einen Seite wurde der nächste CIP-Talk mit Gysi angekündigt, auf der anderen Seite waren Zitate und Zeichnungen der Mona Lisa zu sehen. Beim gemeinsamen Essen mit Studierenden erschien die ZU wie ein Supermarkt, in dem man (buchstäblich) einkaufen konnte, was man wollte – darunter auch die studentischen Initiativen. „Rock Your Life wurde auch von der Bundeskanzlerin ausgezeichnet“ hieß es noch so schön.
Zwar lief der ein oder andere glatt-gegelte Polo-Shirt-Träger den Flur entlang. Diesem folgten jedoch ein barfüßiger Kommilitone und viele Hunde. Der Campus war voll von Menschen, die sehr beschäftigt schienen. Menschen, die wenig mit dem typischen Klischee einer Privat-Uni zu tun hatten.
Menschen, die irgendwie anders als andere Studierende zu sein schienen. Der Spiegel schrieb dazu passenderweise: „Im Anderssein liegt das Kapital der Uni. (…) Man studiert anders, denkt anders.“ Aber was machte dieses „andere“ denn aus?
Eine beliebte und berühmte Frage bei früheren Bewerbungen war, ob es denn einen größeren Irrtum gebe, als zu glauben, die Welt sei eine Scheibe. Dabei würde ich heute fragen, ob es denn einen größeren Irrtum gebe, als zu glauben die ZU hätte sich nach zwei Jahren der Pandemie und einem Krieg in Europa nicht verändert. Über so provokante Artikel im Spiegel oder in der ZEIT würden wir uns heute freuen. Und die so renommierte Initiative Rock Your Life findet heute mit der Student Lounge nicht einmal mehr genügend Mitglieder. Wir sind wirklich anders – nur nicht mehr das anders, dass sich Herr Jansen in der Gründungszeit der ZU so gewünscht hätte. Viele der Studierenden können sich unter diesem Namen auch eigentlich niemanden mehr vorstellen. Geht man aber einen Schritt zurück und schaut sich die Anfänge der Universität an, wird einem diese Persönlichkeit öfter über den Weg laufen. Unabhängig von seiner Reputation war die sogenannte „Jansen-Nostalgie“ der vergangenen ZU-Generationen, wie ein alter Song im Radio, der eigentlich gar nicht mehr in den Charts ist, jedoch seinen Charme nicht ganz verloren hat.
Nach etwa 30 Sekunden fragte mich Herr Jochum nochmals: „Ja, welche Farbe hat denn nun ein Zebra“? Und wieder musste ich nachdenken. Das Zebra schien hier eine große Rolle zu spielen (auch wenn keiner wirklich hinterfragt, wieso unser Maskottchen ausgerechnet ein Zebra ist).
Kurz vor den Euromasters kann es durchaus vorkommen, dass ein 1,89m großes Zebra im FAB vorbeiläuft und zusammen mit 30 anderen den Spirit-Song des jeweiligen Jahres singt. Mit dem berühmten ZU-Spirit wird man schon im ersten Semester konfrontiert. Er steht für eine Gemeinschaft, die sich nicht nur dadurch definiert, dass man in der Bib, Mensa oder sonst wo seine Sache stehen lassen kann (was durchaus nicht zu unterschätzen ist), sondern besonders durch das Wachsen an gemeinsamen Herausforderungen. Die Erkenntnis, dass in einem etwas schlummert, das man selbst vor seiner Zeit an der ZU gar nicht entdeckt hat. Ein grenzenloses Mindset, das mit dem Hinterfragen von allem zu tun hat, was auf dieser Welt so passiert.
Die neue Definition des ZU-Spirits lässt allerdings vielerseits zu wünschen übrig. Ein ausgewogenes Partyleben gehört zu jeder Student-Life-Experience ohne Frage dazu. Nur, was bedeutetet es langfristig für die ZU, wenn sich die Mehrheit der Studierenden für einen Barabend begeistern können, jedoch die Hochschulpolitik ihre Plätze seit drei Semestern nicht füllen können? Früher kannten die Studierenden die studentischen Senatsmitglieder. Heute wissen viele nicht einmal, was der Senat ist. Was wird es für die ZU bedeuten, wenn etablierte Initiativen keine Mitglieder mehr finden und demnach die Übergaben unmöglich stattfinden können? Was wird es für die ZU bedeuten, wenn der kollektive Diskurs von Unzufriedenheit geprägt ist? Interessanterweise, hört man besonders im Flurfunk immer wieder die großen Kritikpunkte an die Uni. Und auch, wenn ich die ZU kennen und lieben gelernt habe, ist mir bewusst, dass wir große Baustellen haben. Wir würden uns alle sicherlich freuen, wenn das Standortmanagement hin und wieder die Energie hätte, wie Herr Neums nach seinem Teneriffa-Urlaub. Zusätzlich würde es von Commitment zeugen mehr Dozierende in den von Studis geplanten Veranstaltungen zu sehen. Nur haben wir leider vergessen, dass wir aktiv die Richtung dieser Universität mitbestimmen können. Die ZU wird keine Business-School, wenn wir dies nicht wollen. Auch die Kulturwissenschaften werden nicht aussterben, nur weil der allseits bekannte Flurfunk dies berichtet. Die Last und Probleme der Uni auf die Studierenden zu übertragen ist keine langfristig zufriedenstellende Lösung. Nichtsdestotrotz funktioniert die ZU so gut, da in der Vergangenheit die Studierenden ihren Beitrag geleistet haben. Freiheiten der Gestaltungen gehen eben mit großer Verantwortung einher.
Gerade in einem Format wie „Alles gefragt“ mit dem SVP und dem Präsidenten, Klaus Mühlhahn, ging es plötzlich nicht mehr um die großen Fragen wie dem Status der Re-Akkreditierung, sondern um die Kleinigkeiten des Alltags wie kaputte HDMI-Kabel am SMH. Der Ton wurde rauer, Debatten langsam Stellvertreter-Diskussionen für die große Frage: „Was passiert mit uns eigentlich?“. Der Gedanke kommt auf, dass an dieser Stelle vielleicht der Dampf abgelassen werden musste, damit man sich nach zwei Jahren Corona wieder auf Augenhöhe begegnen kann. Nur würde ich gerne den Umgangston besonders bei diesem Event in Frage stellen wollen.
In Epochen der sogenannten Unzeit, das auch zufälligerweise das Thema unseres Sommerfestes war, ist es absolut in Ordnung Dinge zu hinterfragen, eine kritische Herangehensweise zu befürworten und alte Sachverhalte zu dekonstruieren. Ich frage mich allerdings langsam, ob zukünftige Generationen den ZU-Spirit institutionalisieren werden oder er langsam aber sicher zum Mythos mutiert.
Und was bleibt, wenn es nicht der ZU-Spirit ist?
Gewiss war die letzte Zeit für den Rest der Welt nicht einfach, besonders für eine kleine Privat-Uni, welche nur funktionieren kann, wenn genügend Menschen sich für ein Studium in unserer Uni entscheiden. Doch wäre es nicht langsam an der Zeit, auch uns zu hinterfragen und mit einem gesunden Maß an Selbstreflexion aus dem Zwei Jahres-Koma aufzuwachen? Wir gehen zwar besonders in diesem Semester langsam wieder die richtigen Schritte, dennoch kommt die Frage auf, ob wir nicht einen Gang zulegen sollten. Und vielleicht würden wir dann merken, dass alles gar nicht so scheiße ist und wir uns in Zukunft nicht gegen den Willen von Herrn Sturm an die Treppe kleben müssen. Und vielleicht würden wir dann aufhören, uns nur zu beschweren, sondern mit den Stärken arbeiten, welche wir doch schon längst haben.
Nachdem Herr Jochum weiterhin auf meine Antwort wartete, meinte er, ich solle mehr mit meinen Sinnen arbeiten. Dies verwirrte mich doch zutiefst, da ich weder riechen, schmecken, hören oder erfühlen konnte, welche Farbe ein Zebra nun hat. Dabei lächelte er und meinte: „Vielleicht es ja genau das, was Sie nicht sehen, dass Sie zum Ziel führen wird.“ Hätte ich dies gewusst, wäre ich viel schneller auf die Idee gekommen, dass man unter dem Fell des Zebras nicht erkennen kann, dass es eigentlich eine hellbraune Haut hat, welche natürlich die Frage beantwortet. Oftmals sind es die Dinge, welche wir mit den bloßen Augen nicht fassen können, welche den größten Einfluss haben. Es sind die gemeinsamen Coffee-Dates bei Beton Bohne, die hitzigen Debatten in den Kursen und auch zwei Alumni, die sich beim Wandern in Bulgarien treffen, welche die ZU zu etwas besonderem machen.
Ob es nun den Geist der Universität betrifft oder den einfachen Zusammenhalt, es liegt an uns Studierenden, Alumni und Alumnae, zu definieren für was wir stehen wollen. Müssen wir uns noch so geil finden, wie damals? Nein. Doch haben wir die Freiheit uns selbst und unsere Vision zu re-definieren. Am Ende klappt das nur gemeinsam – und da sind alle Lehrenden, Studierenden und die Verwaltung in den Plan inkludiert.
Wir sind nicht die letzte Generation, und auch wenn Herr Landkammer schön singen kann, ist unser neues Motto nicht „Let it be“. Es war nur niemals mehr Anfang als jetzt und jetzt müssen wir einfach wieder anfangen …