Schulausflüge ins Museum, wenn man sich gefreut hat, keinen Unterricht zu haben aber dann – boah ne, da will mir jemand was über Kunst erzählen! Vielleicht auch bei einem der Sommerfeste, wo es Kunstführungen über den Campus gab und man merkt – alter, die Regale im Zwischenraum rot beinhalten Kunst! So ist wohl jeder bereits auf die ein oder andere Weise mit Kunstvermittlung in Berührung gekommen. Aber sie kann auch durchaus Spaß machen. Das beweist Charlotte Esser. Sie ist die Leiterin des Kinderprogramms am me Collectors Room der Stiftung Olbricht in Berlin und liebt ihre Arbeit. Die kleinen Gäste haben anscheinend auch Spaß, denn es werden seit dem Beginn vor sechs Jahren stetig mehr.
Der me Collectors Room beheimatet eine permanente Sammlung und eine wechselnde Ausstellung (beides speist sich aus Werken der Sammlung Olbricht). Charlotte stellt das Kinderprogramm dazu auf die Beine: Workshops, Führungen, Kindergeburtstage, “Wunderkammerkisten”, Lernkarten für den Unterricht und, erst seit diesem Jahr, ein Wunderkammerschiff, was durch Brandenburg fährt und so auch Schulen im ländlichen Raum den Zugang zu einer Kulturinstitution ermöglicht. Aber genug der Vorrede: Jetzt soll über ihre Tätigkeit gesprochen werden!
Serie 'Was macht eigentlich ...?'
Das Thema Kultur ist vielfältig – so vielfältig, dass es nicht ein konkretes Berufsbild gibt. Sondern viele verschiedene Berufe und Ideen, hinter denen spannende Persönlichkeiten stecken. In dieser Serie sprechen wir mit Personen aus Kunst und Kultur über das, was sie bewegt.
Erst einmal: Bezeichnest du dich überhaupt als Kunstvermittlerin?
Der Begriff ist schwierig, also Kunstvermittlung ist ja erstmal ein relativ ungeschützter Begriff. Wenn man sich zumindest das Berufsbild anguckt, sind in diesem Bereich ganz viele Quereinsteiger unterwegs, die Kunst vermitteln. Das sind oftmals Kunsthistoriker, oder auch ausgebildete Pädagogen. Ich bin Kunsthistorikerin und Theaterwissenschaftlerin. Bei mir ist schon ein bisschen der Bewegungsmoment drin, das Perfomative und darum geht es letztendlich auch in der Kunstvermittlung: Dass man es schafft, zwei verschiedene Dinge zusammenzubringen. Auf der einen Seite das Bild oder die Skulptur, Installation, das Kunstwerk, und auf der anderen Seite den Betrachter. Vermittlung bedeutet dann im Prinzip, Mittler zu sein, das ist ja in dem Wort „Kunstvermittler” auch enthalten, zwischen Kunstwerk und Betrachter. Dieser Prozess, wie man das vermittelt zwischen A und B, der ist ganz unterschiedlich. Man kann ihn ganz unterschiedlich gestalten, freier oder eben strukturierter, subjektorientiert oder werkorientiert. Da gibt es ganz viele verschiedene Ansätze. Es geht immer darum, Freude und Interesse an der Kunst zu wecken und einen Austausch zu eröffnen. Die Pädagogen sind Impulsgeber und die Kinder sind Impulsgeber. Das ist ein wechselseitiger spannender Prozess, bei dem der Ausgang oftmals ungewiss ist. Nach einer Führung gibt es dann auch immer einen praktischen Input und Erlebnisse und Ideen können kreativ umgesetzt und als Erinnerung mit nach Hause genommen werden.
Bezeichnet man je nach Ansatz auch die Tätigkeit anders?
Nein, der Begriff “Kunstvermittler” ist schon stimmig. Ich begreife mich auch als solche – dass ich eine bin. Aber die Tätigkeit wird nicht ernst genommen, sie wird immer stiefmütterlich behandelt. Das sieht man auch, wenn man sich die Organigramme von größeren Häusern anguckt. Man sieht ganz schnell, welch niedrige Wertschätzung die Kunstvermittlung erfährt. Nämlich daran, wo sie angesiedelt ist in der Hierarchie. Eigentlich muss sie, dafür plädiere ich, auf Leitungsebene angesiedelt sein. Bei Abstimmungsprozessen und Vorbereitungen für eine neue Ausstellung müssen die Kunstvermittler eigentlich im Moment des Entstehens dieser Gedanken mit einbezogen werden. Damit sie ihre Arbeit am Haus dann gut machen können. Bei uns gab es zum Beispiel Ausstellungen, die nicht wirklich jugendfrei waren [Anm. d. Red.: X-Rated]. Wenn wir uns auf die Fahnen schreiben, dass wir hier als Stiftungsziel haben, viele Kinder und Jugendliche an die Kunst heranzuführen, ist es fraglich, ob man so eine Ausstellung ganz anders reflektieren muss. Ob es überhaupt Sinn macht, da eine Vermittlung anzubieten.
Aber in dem Moment, wo Kunstvermittlung in den Bereich der kulturellen Bildung kommt und es um Fördergelder usw. geht, da hat’s dann wieder einen hohen Stellenwert.
Weil es dann ein wichtiges Mittel ist, um Gelder zu bekommen?
Genau! Ich meine, klar, wir freuen uns über Gelder und das ist wunderbar, aber die Wertschätzung so unter diesen monetären Aspekten zu sehen, das finde ich tragisch und verfehlt.
Und wie war dein beruflicher Werdegang oder wie ist der Werdegang dorthin generell, bei anderen Leuten?
Das kann eben unterschiedlich sein. Wenn sich hier junge Leute als Kunstvermittler vorstellen, erfahre ich das immer wieder. Die haben meistens ein großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Kindern, die meisten studieren dann Pädagogik oder Kunstgeschichte, Theaterwissenschaften, generell eher aus den geisteswissenschaftlichen Bereichen. Mein Weg war ähnlich, ich habe Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften in Bochum studiert und habe erst am Theater gearbeitet, bevor ich dann hier zum me Collectors Room gekommen bin.
Und du hast doch auch mal Kulturmanagement gemacht, oder?
Stimmt, das habe ich auch noch gemacht. An der FU [Anm. d. Red.: Freie Universität] in Berlin. Interessanterweise hat das aber weniger mit der Kunstvermittlung zu tun.
Aber meinst du, der Beruf wird langsam wichtiger, weil Museen populärer werden, immer mehr Leute Kunst konsumieren zum Beispiel?
Gesamtgesellschaftlich gesehen müsste es wichtiger werden. Für die großen Häuser sind die Kinder die Besucher von morgen. Trotzdem steht es immer noch im Abseits.
Für mich ist interessant und spannend: Was passiert in dem Prozess der Kunstvermittlung? Wie kann man so einen Prozess steuern oder auch nicht? Lässt man das laufen oder wo strukturiert man stärker? Letztendlich ist das insofern mein Traumberuf, als dass man immer auf neue Besucher, in dem Fall Kinder und Jugendliche trifft, die in eine Führung oder einen Workshop oft ganz eigene Erfahrungen und Blickrichtungen mitbringen. Der Ausgang ist unbekannt. Je nachdem, wie offen man ist, kriegt man einen wunderbaren Austausch mit dem Gegenüber hin. Oder eben auch nicht.
Was machst du dann konkret?
Konkret mache ich Folgendes: Ich spreche die Schulen und Lehrer an, schreibe Kindertagesstätten an, und weise sie auf das Programm hin, ich koodiniere und terminiere die Programme und sorge dafür, dass es reibungslos verläuft. Damit dann die Klassen hierher kommen können und alles vorbereitet ist. Ich kümmere mich darum, dass die Pädagogen da sind, die die Workshops vermitteln. Im Prinzip um den ganzen Überbau. Leider viel zu selten bin ich dann auch dabei und kann teilhaben an einem Vermittlungsprozess.
Was braucht man alles für Eigenschaften? Es klingt so, als müsste man mit Kindern klarkommen, sich mit Museen auskennen und mit der Kunst und mit der Arbeit dazwischen..
Neben der fachlichen Expertise oder dem Interesse für Kunst, braucht man ein Gespür für das Gegenüber. Ein soziales Gespür und eine Empathiefähigkeit sind ganz wichtig. Offen und empathisch für die Gruppe bleiben, die man durch die Sammlung führt bzw. mit der man gemeinsam durch die Sammlung geht. Wenn ich jemanden suche, der uns im Team unterstützen soll, beschreibe ich das wie einen Schauspieler, der auf der Bühne steht. Der braucht eine gewisse Präsenz, damit er die Zuschauer erreicht. So ist es auch bei einem Vermittler, man braucht eine gewisse Präsenz und von der muss man sich berühren lassen, sonst funktioniert die Vermittlung nicht. Deswegen müssen die Vermittler auch in der Lage sein, ihr Programm umzuwerfen, wenn sie merken, das funktioniert mit der Gruppe überhaupt nicht. Da brauchst du Flexibilität.
Mit wie vielen Leuten arbeitest du?
Ich mache das Organisatorische, dann haben wir gerade vier freie Vermittler, davon zwei Bildende Künstler, einen Musiker und eine Pädagogin. Und die Praktikantin arbeitet hier oben im Büro und unterstützt, und das war’s. Also im Prinzip fest angestellt ist nur eine Person, das bin ich.
Und wie koordiniert ihr das Kinderprogramm mit der Leitung? Gibt’s da viel Input oder wird es einfach abgesegnet?
Da wird besprochen, ob das zu unserem Leitbild auch passt. „moving energies“ beinhaltet ja einen interdisziplinären Ansatz, das ist ganz wichtig. Dann kann man das Programm verbreiten.
Hey, cooler Artikel bzw. Interview + hat mir sehr gefallen….. auch die Intro zum Anfang ! Wer hat den das tolle Foto der Redakteurin geschossen ? Ich leite den Artikel auch mal an Marianne weiter.