Trump: Folie à Deux 

Es ist das Sequel, das eigentlich niemand sehen wollte. Nach seinem überraschenden Debüt 2016 kehrt Donald J. Trump nun erneut als “President Trump” auf die LED- und Retina-Screens der Welt zurück. Wobei es weniger Rückkehr, als vielmehr Fortsetzung ist. Denn für das Trump-Lager ist klar: die Wahl 2020 war gefälscht. Trump war nie nicht Präsident. 

Entsprechend das Narrativ seiner Kampagne in den vier Jahren, die seitdem vergangen sind. Trump agierte so, als sei er noch immer Präsident – und die Medien sprechen ihm nach dem Mund: Noch im Wahlkampf ist stets von “President Trump” die Rede – das Präfix “former” nutzen – wenn überhaupt – liberalere Medienhäuser wie ABC oder CBS. Wie wir heute wissen: eine self-fulfilling prophecy. 

Auf das Oval Office und eine formelle Präsidentschaft war Trump vor seiner Wiederwahl allerdings auch nicht angewiesen, um Politik zu machen. Im Laufe des Jahres 2024 empfängt er in seinem Privatdomizil Mar-a-Lago den ungarischen Präsidenten Viktor Orbán, während letzterer auf seiner ‘Friedensmission 5.0’ unterwegs war. Einige Wochen später schüttelt er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in seinem Trump Tower in New York die Hand. An eigenen Immobilien, die er nach Belieben in temporäre politische Machtzentren verwandeln kann, mangelt es Trump jedenfalls nicht. 

Dass Trump die Rolle des Präsidenten nach der verlorenen Wahl 2020 nie abgelegt hat, zeigt sich auch beim Attentatsversuch in Butler, Pennsylvania im Juli 2024. Anstatt sich vom Secret Service auf einer Trage hinter der Bühne abtransportieren zu lassen, steht er geistesgegenwärtig und aus eigener Kraft wieder auf, um aktiv das Publikum zu suchen. Gestreckte Faust, aber freie Schussbahn für einen potentiell weiteren Attentäter. “Fight, Fight, Fight!” – die Bilder gehen um die Welt. Es ist klar, wer Schuld hat: seine Feinde, die ihm seine rechtmäßige Präsidentschaft geklaut haben. 


President Trump & Joker | Rächerfiguren mit Victim Mentality
Zugleich steht diese Szene – bei aller Tragik – beispielhaft für das Selbstbild von Trump und seinen teils fanatischen Anhängern als Eines von Opfern, die ständig unter Beschuss stehen. Als Opfer der Demokraten, die gegen sie Politik machen, als Opfer der ‘Mainstream-Medien’, die gegen sie Fake News verbreiten, als Opfer von China, die gegen sie wirtschaften, als Opfer von illegalen Immigranten, die ihre Gesellschaftsordnung unterwandern. 

“President Trump”, das ist der Redeemer, der Rächer, die Identifikationsfigur für all jene, die sich als Unterdrückte, Vergessene, Übersehene oder anderweitig als Opfer dieser Sündenböcke sehen. Entsprechend pseudoreligiös und kulthaft ist seine Anhängerschaft. Donald Trump sah sich stets selbst als einen solchen übersehenen Außenseiter – wenn auch auf einem ganz anderen gesellschaftlichen Level als die meisten seiner Anhänger. “President Trump” ist irgendwo auch seine persönliche Rächerfigur. 

Eine sehr ähnliche Dynamik findet sich im neusten Ableger der Joker-Filmreihe. Arthur Fleck ist der Außenseiter, Joker seine Rächerfigur. Die Grenzen zwischen diesen Personas sind fließend, zum Teil nicht existent – ähnlich wie bei Trump. Auch Fleck mobilisiert als Joker alle Ausgestoßenen und Verlierer der Gesellschaft, um sich ‘gegen das System’ aufzulehnen. Es ist bemerkenswert, dass Trump sich schon 2016 dieses Narratives bediente. “President Trump”, das ist die Joker-Anti-Establishment-Figur des “drain the swamp” gegen die Korruption im politischen Washington. Kaum zu glauben, dass dieser Move 2016 tatsächlich funktionierte. Man bedenke, dass Trump auf den ersten Blick selbst die Definition von Establishment ist und keineswegs eine weiße Weste trägt. 


Ein kurzer Rückblick auf Trump
Als Immobilien-Unternehmer hat er es im New York der 80er und 90er-Jahre trotz – oder gerade wegen – nicht gerade weniger Skandale bis ganz an die Spitze geschafft. Zu dieser Zeit galt New York als ultimativer Bewährungstest. Wer hier besteht, ist ein gemachter Mann. Auch medial war er stets eine präsente Figur, nicht nur in seiner TV-Show ‘The Apprentice’, sondern auch in der damaligen schwarzen HipHop-Kultur. 

Donald Trump war als wirtschaftliches und mediales Schwergewicht damit wohl kaum ein ‘Opfer des Systems’ – “President Trump” war es allerdings schon. Und die Amerikaner haben es ihm geglaubt. Mehr noch, sie haben ihn auf Händen ins weiße Haus getragen. 

Vielleicht gerade wegen seines Hintergrunds schien er dort für viele zunächst bloße Entertainment-Figur zu sein – ähnlich wie Joker. Er polarisierte, sorgte für Lacher, war ein 24/7-Dauer-Medienereignis. Das orangene Gesicht mit blondem Toupet ikonisch – quasi seine Joker-Maske. Ähnlichen Entertainment-Faktor besaßen seine politischen Stints, etwa als er in Nordkorea seine ‘Bromance’ mit Kim Jong Un auslebte. Ungünstig nur, dass die Show “President Trump” starke Reality Effects, und seine Amtshandlungen als mächtigster Mann der Welt entsprechende Konsequenzen mit sich brachten. Knapp vier Jahre Pause scheinen allerdings lang genug gewesen zu sein, um das kollektive amerikanische Gedächtnis Trump-Eklats wie den offen rassistischen “Muslim Ban” – ein Einreiseverbot gegen sieben mehrheitlich muslimische Nationen – oder die Schweigegeldaffäre rund um Stormy Daniels vergessen zu lassen. Jetzt geht es also ins Season Two. 


Die Folie à Deux “President Trump”
Ohne die gegenwärtige Medienkultur wäre es wohl nie so weit gekommen. “President Trump” ist eine Folie à Deux, definiert als eine geteilte Wahnvorstellung, bei der zwei oder mehrere Personen eine gemeinsame psychotische Überzeugung entwickeln – meist ausgelöst durch eine dominante Person. In diesem Fall ist es eine geteilte Wahnvorstellung zwischen Donald J. Trump und dem US-amerikanischen Volk, die zusammen “President Trump” halluzinieren. Trump sieht sich – spätestens seit dem gescheiterten Attentat auf ihn – als den von Gott Geretteten, als den Auserwählten, der Amerika wieder groß machen wird. Seine Anhänger teilen diese Wahnvorstellung, denn der ‘Make-America-Great-Again’ – kurz MAGA – Kult kann dank invasiver Hochtechnologie aus dem Valley bis in die tiefsten Gehirnstrukturen der amerikanischen Menschen eingebrannt werden. Das funktioniert übrigens auch im technologischen Satellitenkontinent der USA namens Europa. 

Im Film bekommt Arthur Fleck vor Gericht in NYC noch einmal eine letzte Chance, sich als Joker auszuleben. Donald Trump bekommt nun in DC seine letzte Chance, sich als “President Trump” auszuleben. Beide genießen das sichtlich, wohlwissend, dass die Show bald vorbei sein wird. Für Joker, dessen Zeit vor Gericht begrenzt ist, und für Trump, der – zumindest nach offiziellem Recht – kein drittes Mal Präsident werden kann. Das Ende ist abzusehen und muss daher sitzen. 

Droht die Folie à Deux durch ein konkurrierendes Narrativ zu zerplatzen, kommt es zu Extremreaktionen. Als sich im Gerichtsprozess abzeichnet, dass Joker eben nicht diese larger-than-life Rächerfigur ‘gegen das System’ ist, sprengen seine fanatischen Anhänger das Gerichtsgebäude in die Luft, um ihren geliebten Joker – und damit ihre Wahnvorstellung von ihm – zu retten. Als sich am 06. Januar 2021 abzeichnet, dass Trump die Wahl tatsächlich verloren hat, stürmen seine fanatischen Anhänger das Kapitol, um ihren geliebten “President Trump” – und damit ihre Wahnvorstellung von ihm – zu retten. Um die Folie à Deux lebendig zu halten, müssen selbst fundamental-geglaubte politische Institutionen – notfalls mit Gewalt – weichen. 


Trickster Trump
Im Film verkörpert Joker den Trickster-Archetyp, indem er mit Wahnsinn und Täuschung spielt und so gesellschaftliche Ordnungen und Erwartungen untergräbt. Die Grenzen zwischen Realität und Wahn verschwimmen, wodurch er den Zuschauenden in einen Zustand der Desorientierung zwingt. Auch Trump kann als Trickster-Figur verstanden werden. Die Toolkiste der medialen Inszenierung ist dabei sein bestes Werkzeug. Sein offizielles “Porträt” als 47. Präsident der USA ähnelt eher dem Polizei-Mugshot seiner Verhaftung in 2023, als einem wirklich präsidialen Foto. Es sendet die selbstironische Trickster-Message: “Seht her, ich bin ein verurteilter Straftäter und trotzdem euer Präsident”. Es ist gezielte Selbstinszenierung – und historisch beispiellos. Es passt zu einem gewissen Gangster-Image, das er schon in den 2000ern als Medienfigur kultivierte. Kalt, berechnend, skrupellos – aber: erfolgreich. Dieser Umstand wird umso absurder, wenn man die hunderttausenden geplanten Abschiebungen von verurteilten Straftätern durch Trump bedenkt. Die Einen werden aus dem Land deportiert, der Andere steigt an dessen Spitze. Der Unterschied: die Einen besitzen weder Staatsbürgerschaft noch Geld, der Andere ist weiß, amerikanisch und reich.

Links: Das offizielle Porträt von Donald Trump als 47. US-Präsident (2025). Rechts: Ein Mugshot von Donald Trump aus dem Fulton County Jail, Atlanta (2023). (Quelle: Sky News 2024)


Das ermöglicht es Trump, seine Hände stets sauber zu halten. Die Drecksarbeit lässt er von Anderen erledigen, die ihm gegenüber bedingungslos loyal sind. Nicht selten bezahlen diese dafür mit ihrem Ruf, ihrer Freiheit oder sogar indirekt mit ihrem Leben. Die Konsequenzen der (Schweigegeld-)Affäre mit Stormy Daniels wusste er etwa geschickt an seinen damaligen Anwalt für Alles, seinen “Fixer” Michael Cohen auszulagern. Dieser saß dafür drei Jahre ein, musste 1,4 Millionen Dollar Strafe zahlen und verlor seine Anwaltslizenz. Trump? Wusste von nichts. Er schiebt alles auf Cohen und zieht nun zwar verurteilt, aber straffrei erneut ins weiße Haus ein. Erinnerungslücken und politische Spitzenämter gehen wohl überall Hand in Hand. 


Trickster Trump: New Media 
Vielleicht sind diese aber auch ein Nebeneffekt der Digital Dementia, an der selbst jüngere Menschen leiden. Wie gesagt: die medial verbreitete Folie à Deux “President Trump” wäre ohne die gegenwärtige Medientechnologie und -Landschaft kaum denkbar. Wie sonst lässt sich erklären, dass hunderte Millionen von Menschen dem Narzissmus eines Immobilienhais mit machtpolitischen Ambitionen verfallen, anstatt ihn als den zu sehen, der er ist? Das Mindeste also, dass Amerikas Tech-Elite bei Trumps Amtseinführung in der ersten Reihe hinter ihm sitzen darf. Mark Zuckerberg aka ‘The Zucc’ lieferte die sozialen Medien, die auf der emotionalen Grundlage von Rage und Wut operieren und Trump damit perfekt in die Karten spielten. Musk lieferte mit X und seinem eigenen Personenkult ein weiteres, unzensiertes Medium, ohne das Trump seit 2016 ohnehin nicht zu denken ist. Google-CEO Sundar Pichai lieferte alleine mit YouTube ein Medium, auf dem Trump deutlich mehr Reichweite generierte als in irgendeinem Prime-Time-TV-Slot auf FOX, wie er in einem Interview selbst einmal feststellte.

Fehlen darf auch nicht der heilige Gral eines jeden Amerikaners: das iPhone. All diese sozialen Medieninhalte würden kaum einen so großen Einfluss auf hunderte Millionen von Köpfen haben, wenn der durchschnittliche US-Bürger nicht sieben Stunden tägliche Displayzeit akkumulieren und das iPhone quasi 24/7 in seiner Intimsphäre mit sich tragen würde. Daher auch im Publikum: Tim Cook, CEO von Apple. Wie bewusst sich Trump seines ‘New Media’-Einflusses ist, kann allerdings bezweifelt werden. Er freute sich über den Gewinn des ‘Youth Votes’, zielte aber nicht spezifisch auf diesen ab. Sein Auftritt bei Joe Rogan – mittlerweile 55 Millionen Aufrufe – sei laut eigener Aussage etwa vor allem auf Anraten seines 18-jährigen Sohnes Barron realisiert worden.


Trickster Trump: Authentisches Anti-Establishment
Ähnlich wie einige seiner früheren Weggefährten nutzt Trump diese Menschen vor allem opportunistisch zu seinem eigenen Vorteil aus. Kaum 60 Minuten im Amt, geht er nach seiner Vereidigung und Auftaktrede von der hochdekorierten Kuppelhalle in die Eingangshalle des Kapitols, um dort seine zweite Rede als Präsident zu halten. Das Publikum besteht diesmal nicht aus (Ex-)US-Präsidenten, den superreichsten und technologisch mächtigsten Menschen des Planeten und Supreme-Court-Richtern, sondern aus eher ‘normalen’, vor allem jüngeren Menschen. Trump verfällt hier direkt wieder in seine Anti-Establishment-Rhetorik: 

“I just want to say, you’re a younger far more beautiful audience, than I just spoke to. And I want to keep that off the Record. […]. I think you’re more powerful than them, you look better than them and I love you.” 

Billige rhetorische Flattery, würde man zunächst denken. Er scheint es aber tatsächlich ernst zu meinen, gibt sich deutlich gelöster und entspannter. Generell wirkt Trump in den hochdekorierten Hallen der politischen Institutionen Amerikas eher wie ein Fremdkörper. Draußen, auf seinen Rallyes, in den Sportarenen, vor dem ‘einfachen Bürger’ blüht er auf. Schon im Wahlkampf zeigte sich: Trump braucht die formellen Institutionen ohnehin nicht, um Politik zu machen. Nachdem er in seinen privaten Villen und Wolkenkratzern europäische Spitzenpolitiker empfing, unterschreibt er seine ersten acht Executive Orders an einem kleinen Schreibtisch in der Capital One Arena in Washington. Vor seinen Anhängern, die ihm mit jeder gesetzten überdimensionierten Unterschrift zujubeln, und nicht vor einer Reihe Journalisten im Oval Office, die ihm Fragen stellen. Trump ist sich seines Showman-Charakters dabei sehr bewusst. Für jede medienwirksame Aktion feiert er sich selbst und bricht mit der provokant-rhetorischen Frage “Could Biden do this?” immer wieder die vierte Wand.  

Und das muss man Trump – trotz aller Kritisierbarkeit – lassen. Er schafft es irgendwie, sich authentisch mit der Figur des einfachen US-Bürgers zu verbinden. “Fight, Fight, Fight!” – das ist nicht gespielt, das ist keine politische PR. Das ist tief-sitzende, instinktive Überzeugung. Trump hat mit der Lebensrealität eines Midwest-Blue Collars genau null Überschneidungspunkte. Psychologisch holt er sie allerdings komplett ab. Vielleicht, weil seine emotionale Welt entgegen der ersten Intuition ähnlich aussehen könnte. 

Er mag zwar als privilegierter Millionärssohn geboren sein, weshalb er materiell nie kämpfen musste. Psychologisch musste er es aber trotzdem. Er kämpfte allen voran bis in sein Erwachsenenalter um die Anerkennung seines Vaters, die er lange nicht bekam. Er kämpfte darum, in der NYC-Bubble der 80er und 90er-Jahre trotz seines materiellen Erfolgs als Person ernst genommen und auf Augenhöhe wahrgenommen zu werden. Schließlich kämpfte er gegen den ‘Sumpf’ des politischen DC-Establishments und damit darum, als Politiker ernst genommen zu werden. Ultimativ kämpfte und kämpft er noch immer für seine Vision eines starken Amerika. Diese Mentalität des ständigen Kampfes scheint Trump über die Jahre tief internalisiert zu haben. Anders lässt sich seine instinktive “Fight!”-Reaktion nach einem nur knapp gescheiterten Attentat auf sein Leben kaum erklären. 

Irgendwo ist das typisch amerikanisch: Gründe zum Kämpfen finden sich immer – und wenn nicht, dann lassen sie sich mittels PowerPoint erfinden. Das haben schon Trumps Vorgänger bewiesen. Ob diese Gründe sich in Massenvernichtungswaffen produzierenden Lagerhallen in nah-östlichen Diktaturen oder im politischen Geschehen des eigenen Landes offenbaren, ist dabei erstmal zweitrangig. Diese Kämpfermentalität ist aber eventuell Erklärung dafür, warum Trump sich auf emotionaler Ebene so effektiv und vor allem glaubwürdig mit dem ‘einfachen Bürger’ verbindet. Beide fühlen sich missverstanden, beide fühlen sich nicht ernst genommen, beide fühlen sich wie in einem ständigen (Überlebens-)Kampf.

Nur so ist Trump und sein enormes Mobilisierungspotential zu verstehen, denn rein rational ergibt er keinen Sinn. Der Mann hat – gemessen an westlichen Standards – auf dem Papier alles erreicht: wirtschaftlich (Multimilliardär), medial (Icon, loyale Fanbase), sowie politisch (2x Präsident). Rational ist sein “Mann der kleinen Leute”-Film, den er seit nun fast zehn Jahren fährt, absolut unglaubwürdig. Dieser wäre für ihn bei seiner medialen Dauerpräsenz wohl auch kaum ohne Risse in der Fassade durchzuhalten. Ihm bleibt also gar keine andere Wahl, als das authentisch zu verkörpern, um in ungeplanten Momenten nicht ‘aus der Rolle zu fallen’. Das geht nur, wenn er dieses Außenseiter-Kämpfer-Mindset innerlich wirklich lebt und nicht nur äußerlich spielt. 


Trickster Trump: Der ewig Unterschätzte 
Um fair zu sein, wird Trumps innere Haltung allerdings durch Beobachtende und Medien, die ihn nach wie vor nicht ernst nehmen, weiter angeheizt. Jedem anderen Menschen, der auf dem Papier so einen Lebenslauf hingelegt hat, würde man wahrscheinlich mit deutlich mehr Respekt begegnen. Oder ihn zumindest – angesichts der durchaus beachtenswerten Anzahl an kriminellen Aktivitäten – zumindest ernster nehmen. Allerdings bleibt Trump in der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin primär ein Meme – und das weiß er auch. Seine “Golf von Amerika”-Idee in seiner Einführungsrede oder YMCA-Tänze mit Offizierssäbel spielen genau in dieses vordergründige “nicht-ganz-ernstzunehmen”-Image, hinter dem er allerdings sehr ernstzunehmende, skrupellose und teils offen-rassistische Politik macht.

So entsteht manchmal der Eindruck, dass er – ähnlich wie Joker – eher Selbstjustiz aus seinen eigenen Überzeugungen heraus übt. Institutionen, Gesetze, Gepflogenheiten – für Trump ist das wenn überhaupt zweitrangig. In seiner Politik kommt so dennoch diejenige Ernsthaftigkeit zum Ausdruck, die ihm vordergründig nie zugeschrieben oder zugetraut wird. Das konstante Unterschätzt-Werden – ob in Business-Rankings oder Politik-Umfragen – sorgt somit dafür, dass Trump stets ein Ass im Ärmel zu haben scheint. Typisch Trickster. 

Trump ist damit insgesamt als eine larger-than-life-Figur zu verstehen, deren Existenz so nur in Amerika möglich ist. Er ist hyperreal, realer als die Realität – genauso wie die amerikanische Zivilisation selbst eine Hyperreale ist. Trump ist Amerika – mit all seinen strahlenden Potentialen und dunklen Abgründen. Vielleicht gerade deshalb steht er nun für weitere vier Jahre an dessen Spitze.▪️

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