In einem schönen alten Bürogebäude mitten in der Stuttgarter Innenstadt befindet sich der Marienkeller. Ein auf alt gemachtes Gewölbe mit einer Bar, einer kleinen Bühne und Platz für ca. 60 Personen. Es ist fast wie ein Familienfest. Anwesend sind Freunde, Familie und ein paar andere Gäste. Niclas Mehne, ein junger Regisseur, präsentiert dort seinen ersten Film, den er im Laufe von drei Jahren über den Singer und Songwriter Florian Ostertag gedreht hat. Wer soll das denn sein? Und auch der Sänger selbst fragte sich bei der Anfrage für den Film: „Wieso denn ausgerechnet über mich?“.
Florian Ostertag ist ein eher unbekannter Musiker aus der schwäbischen Provinz. Bescheiden, kein Star und erst recht keine Legende, dafür ständig auf der Suche. Und genau darin sieht Niclas Mehne das, wovon er erzählen möchte, weil er sich selber darin wiederfindet, wie er zu Beginn des Abends sagt. Ein Künstler, der seiner Leidenschaft nachgeht, davon alleine nicht leben kann und generell nicht so richtig sicher ist, wo sein Leben hinführt. Und dennoch hat er eine große Gelassenheit, keinen Zeitdruck und keine andere Stimme, die sagt wo es lang geht. Es ist kein Zufall, dass Ostertag seit seinem ersten Album 2009 abgesehen von einer EP keine weiteren Veröffentlichungen hat. Sieben Lieder, sagt er, hat er seitdem fertig gestellt. Er will nur Songs schreiben, wenn er auch grade etwas zu verarbeiten hat und so schreibt er vor sich hin, hält sich finanziell unter anderem als Band-Mitglied von Philipp Poisel über Wasser und lebt das Leben genau so wie er es sich ausgesucht hat.
Die Dokumentation begleitet den Musiker durch all seine Lebensbereiche. Von kleinen Clubkonzerten, dem Haldern Pop Festival und dem selbstgebauten Studio bis hin zum Wohnzimmer, der elterlichen Terrasse und seinem Lieblingsberg in seiner Heimat. Dazu kommentieren verschiedene Menschen aus seinem Leben seine Person und seine Musik. Darunter seine Eltern, seine Band, die Musikerin Alin Coen, der Moderator und Kopf von TvNoir Tex Drieschner, der schon so einige Singer-Songwriter durch seine Sendung populär gemacht hat und nicht zuletzt Philipp Poisel, der sich an dem Abend der Premiere auch selber im Publikum befindet.
Vom ersten Wort des Songtextes bis hin zum Mastering macht Florian Ostertag alles selbst. Als ausgebildeter Tontechniker und studierter Elektroingenieur hat er ein großes Faible und das nötige Know-How für alles Technische. Auf der Bühne stehen außer ihm meistens noch ein altes Tonbandgerät und eine Schreibmaschine. Manchmal auch ein Radio oder ein Fernseher und natürlich ein großes Effektboard mit Loop-Gerät. Und er schafft es mit den Gerätschaften, die er mitbringt, jeden Song zu verfeinern, auszuschmücken und ihm genau das Gefühl zu verleihen, dass er sich zu wünschen scheint. Er versteht Musik als Handwerk.
Die Aussagen der Texte sind klar zu verstehen und bewegen sich zwischen tiefster Melancholie, großem Zweifel und immer wieder auch Witz wie bei dem Song „I am not John Wayne“, mit dem er sich über die Don’t Be A Maybe – Marlborowerbung witzig macht und singt: „I am not John Wayne, I don’t have what it takes to be your man“. Er mag nicht so sein, wie irgendwer ihn vielleicht gerne hätte. Das wird sehr deutlich in der ca. sechzigminütigen Dokumentation. Und darum lohnt es sich von ihm zu erzählen, darum ist dieser Film sehenswert. Niclas Mehne versucht nicht, den sehr talentierten Songwriter zu etwas zu erheben, sondern zeigt einen Lebensentwurf, der sich zunächst gar nicht so groß unterscheidet von den meisten anderen. Aber an den entscheidenden Stellen dann doch so sehr, dass man sich gerne davon inspirieren lässt. Tex Drieschner hat recht, wenn er sagt, dass Florian Ostertag „absolut auf dem Niveau großer englischer und amerikanischer Songwriter“ sei. Dass er nicht so bekannt ist wie diese liegt vielleicht gerade daran, dass er sich nicht besonders vermarkten will und nicht einen Hit nach dem anderen produziert, dass er sich nicht dem Trend wieder deutsch zu singen hingibt, oder daran dass er einfach viel zu normal ist. Florian Ostertag macht das, was er am liebsten macht und sehr gut kann. Damit ist er zufrieden in einer Zeit, in der Erfolg doch eigentlich alles ist. Beruhigend, dass es diese Menschen noch gibt.
„Don’t wanna dissapoint you, I’m sorry if I have to. But I am not John Wayne. I am not John Wayne, I don’t have what it takes to be your man.“