Einleitung, Interview und Übersetzung von Ragna Prinssen
English version here
Es gab drei Gründe dafür, dass ich diesen Sommer unbedingt für das Museum of Architecture in London arbeiten wollte: 1. Neugierde auf das Kuratieren und das Potential der Kunst, Menschen zu erreichen, 2. Leidenschaft für Architektur, und 3. Interesse daran, wie ein modernes, interdisziplinäres Unternehmen in einer Stadt wie London funktionieren kann.
Interdisziplinär ist der Ansatz des Museums of Architecture tatsächlich. Schaut man sich den Themenkomplex der Architektur an, wird auch ersichtlich, warum. Architektur wird beeinflusst (von) und beeinflusst Politik, Wirtschaft, Kultur, Machtverhältnisse – und den einzelnen Menschen in seinem Selbstverständnis, seinen assoziativen Verknüpfungen und seinem Wohlbefinden. Sie hat den Anspruch, in die Gesellschaft hineinzuwirken und das, indem sie durch ihre Form Sinn schafft. Lampugnani, Architekt und Architekturkritiker, schrieb in seinem Buch „Architektur als Kultur“: „Aufgabe der Architektur sollte es sein, Modelle einer besseren Welt zu schaffen und ihnen eine baubare Form zu geben. Ohne Hoffnung, die Welt zu verändern, wird (nicht nur) Architektur stagnierend und regressiv.“
Das Museum of Architecture möchte dazu seinen Beitrag leisten, indem es Menschen – Architekten und andere Leute – darüber ins Gespräch bringt, wie diese Welt aussehen soll. In den zwei Monaten, in denen ich dort als „Exhibition Assistant“ arbeiten durfte, konnte ich auf Workshops rund um das Thema „Architecture and Neuroscience“, zu denen Forscher verschiedener Fachrichtungen eingeladen waren, und auf Business Workshops für Architekten, mitwirken. Vor allem habe ich an der Ausstellung „Well built“, die ab dem 1. November in London zu sehen ist, gearbeitet, und die Praxis und Philosophie des Kuratierens kennengelernt – und beeindruckende Persönlichkeiten wie Melissa Woolford, die Gründerin und Leiterin des Museums of Architecture, die hier ein paar Gedanken rund um das Museum of Architecture mit uns teilt:
Serie 'Was macht eigentlich ...?'
Das Thema Kultur ist vielfältig – so vielfältig, dass es nicht ein konkretes Berufsbild gibt. Sondern viele verschiedene Berufe und Ideen, hinter denen spannende Persönlichkeiten stecken. In dieser Serie sprechen wir mit Personen aus Kunst und Kultur über das, was sie bewegt.
Wie kam es dazu, dass du beschlossen hast, das „Museum of Architecture“ zu gründen?
Ich habe zu der Zeit für Zaha Hadid Architects gearbeitet und gemerkt, dass ich – obwohl mich die Themen sehr fasziniert haben – nicht als Architektin im klassischen Sinne arbeiten wollte. Zwei Freunde haben mir dann bei meiner Idee geholfen, eine Ausstellung zum Thema Architektur zu eröffnen. Diese erste Ausstellung fand im Wohnzimmer des einen Freundes statt und hat sich dann auf die Straße ausgeweitet. Ich wollte kleineren Unternehmen die Möglichkeit geben, ihre Arbeiten und Themen zu präsentieren. Die Galerie hieß ursprünglich Nous Galerie und aus ihr wurde 2012 das Museum of Architecture, dessen Ziel es ist, Architekten dabei zu unterstützen, bessere Entrepreneure, bessere Unternehmer, zu werden. Ziel war es auch, mit anderen Branchen zu kooperieren und der Öffentlichkeit den Zugang zur Architektur zu erleichtern und zu fördern.
Wie hast du es dann geschafft, dein eigenes offizielles Unternehmen in London zu gründen?
Ein Unternehmen zu gründen ist einfach. Es dauert eine halbe Stunde, die Formulare auszufüllen. Die Herausforderung ist, dass es lange erfolgreich sein soll. Ich habe ein fantastisches Team, das entscheidend zu dem Erfolg des Museums of Architecture beigetragen hat und ein Netzwerk aus tollen Menschen, die das Museum of Architecture unterstützen und regelmäßig zu unseren Events kommen und unser Programm nutzen. Auch arbeiten wir mit mehr und mehr Sponsoren zusammen, durch deren Hilfe die Verwirklichung großer Projekte möglich ist.
Was gehört zu deinen täglichen Aufgaben? Geht es in deinem Beruf mehr um das Kuratieren, um die Architektur an sich, das Marketing (oder etwas Anderes)?
Das leitende Kernteam des Museums of Architecture besteht aus drei Leuten: Eine Mitarbeiterin ist die Verantwortliche für Marketing, Kommunikation und Vertrieb. Die zweite Mitarbeiterin des Kernteams ist für unser Programm an der MoA Akademie, die Business Kurse, das Programm rund um das Jahresthema und unsere Ausstellungen verantwortlich.
Meine Aufgabe ist es, Partnerschaften herzustellen und Sponsoring einzutreiben. Außerdem achte ich darauf, dass alle Projekt wie gewollt laufen und alle daran dementsprechend arbeiten. Und die Regelung der Finanzen und natürlich die strategische Zukunftsplanung gehören zu meinen Aufgaben.
Was magst du an deinem Beruf?
Ich mag es, einen positiven Unterschied zu machen – Architekten dabei zu unterstützen, besser zu werden, in dem, was sie tun; inspirierende Projekte zu initiieren; die Öffentlichkeit für Architektur zu begeistern – und dabei viele tolle Leute kennenzulernen.
Das Museum of Architecture macht dieses Jahr eine Ausstellung zum Thema „Health & Wellbeing in Architecture“. Kannst du uns ein bisschen davon berichten?
Ich freue mich sehr darauf, die Ausstellung umgesetzt zu sehen, da es die erste Ausstellung ist, die den Abschluss unseres Jahresthemas bildet. Wir haben über ein Jahr hinweg Diskussionsrunden, Workshops und Konferenzen zu dem Thema „Health and Wellbeing in Architecture“ gehalten und unterschiedliche Unternehmen eingeladen, ihre Projekte, ihr Fachwissen und ihre Forschungsergebnisse zu dem Thema einzubringen. In der Ausstellung geht es darum, wie Health und Wellbeing sich von einem Thema, dessen Fokus auf dem Design von Krankenhäusern lag, hin zu einem Thema der Architektur des Arbeitsplatzes bzw. der Bürogebäude, Schulen, Wohnhäuser und öffentlicher Plätze, entwickelt hat.
Auf einer Konferenz des MoAs, zu der verschiedene Firmen Londons eingeladen waren, wurde beschlossen, dass das nächste Jahresthema „Architecture and Citizenship“, Architektur und Staatsbürgerschaft, sein soll. Inwiefern besteht eine Verbindung zwischen diesen Begriffen? Und warum ist das Thema von Relevanz?
Es gab viele Diskussionen über Brexit, über von ihrem Wohnort verdrängte Menschen, darüber, was es heißt, in einem Land zu wohnen und zu arbeiten. Und darüber, wie Architekten ihre Arbeitsweise in fremden Ländern verändern, indem sie aufmerksamer gegenüber den dort lebenden Menschen, für die sie designen, und den dort gelebten Kulturen sind. Dies haben wir zum Anlass genommen, „Architecture and Citizenship“ zum Thema unseres nächsten, einjährigen Forschungsprojekts, zu wählen. Unser Ziel ist es, zu einem ausdifferenzierten Verständnis – aus Sicht der Architekten und der Öffentlichkeit – für den sich schnell verändernden, globaler werdenden Kontext, beizutragen. Als Architekten müssen wir so aufmerksam wie möglich gegenüber politischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in der Welt sein. Und den Menschen gegenüber, für die wir designen. Wir werden verschiedene Experten zu dem Thema einladen, um ein tieferes Verständnis dafür zu bekommen, was es heißt, ein Architekt und ein Bürger in der heutigen Welt zu sein.
Welches Gebäude oder welche/r Architekt/In hat dein eigenes Denken über Architektur beeinflusst?
Den größten Einfluss hatte Zaha Hadid auf mich, da ich drei Jahre für sie gearbeitet habe. Bei Zaha Hadid Architects zu arbeiten, war eine sehr prägende Erfahrung, aus der ich viel mitgenommen habe – nicht nur gestalterisch, sondern auch, wie wichtig es ist, hart zu arbeiten, kritikfähig zu sein, ständig den Status quo zu hinterfragen und niemals aufzugeben. Ich habe viele beeindruckende Leute getroffen, die jetzt woanders an ihren eigenen Projekten arbeiten und es ist toll, dieses Netzwerk von Freunden zu haben, die einander in der ganzen Welt unterstützen. Es war ein sehr besonderer Ort für mich und hat meine Person und das, was ich heute mache, stark geprägt.
Vielen Dank für das Interview!