Laura Cordes über Gründung, Business-Kleidung und Sexismus

Donnerstag, 15 Uhr am Campus Fallenbrunnen der Zeppelin Universität. In der Mensa warte ich auf Laura Cordes, eine ehemalige CME-Studentin, die 2011 ihren Abschluss an der ZU gemacht hat. Der Grund für den Besuch an ihrer Alma mater: Im Jahr 2016 gründete sie mit dem Online-Anbieter „Gardoré“ ihr eigenes Unternehmen, welches als Online-Anbieter für Business-Mode Frauen die Suche nach geeigneter und professioneller Kleidung für den Beruf erleichtert. Kurz vor ihrem Vortrag zu dem Thema ‚Leadership Appearance for Women‘ treffe ich Laura persönlich, um mir von Gardoré, dessen Mission und Gründungsprozess erzählen zu lassen.

futur drei: Hallo Laura! Gerade kommst du mit dem Zug aus Berlin, morgen geht es weiter nach Mannheim. Wie sieht für dich ein typischer Arbeitstag bei Gardoré aus?

Laura: Den typischen Arbeitsalltag gibt es so fast gar nicht. Da es so viele verschiedene Dinge zu tun gibt, gibt es im Prinzip keine typische Routine. Regelmäßige Treffen mit meiner Mitgründerin Anna sind eine Routine, dann bearbeiten wir die aktuellen Themen – gerade ist besonders das Thema Fundraising sehr präsent. Wir schreiben viele Emails, treffen Leute zum Kaffee, Lunch, telefonieren und versuchen, die richtigen Investoren zu finden.

futur drei: Wie kamst du auf die Idee, Gardoré zu gründen?

Laura: Ich habe zwischen Bachelor und Master in einer Unternehmensberatung gearbeitet und während der Zeit festgestellt, wie schwierig es für Frauen ist, etwas Schönes und Angemessenes an Businesskleidung zu finden. Und das, obwohl die Kleidung als ständiger Begleiter so eine wichtige Bedeutung hat. Als ich merkte, dass es nicht nur mir so geht, sondern ganz vielen Frauen, wurde die initiale Idee geboren. Da ich die Lösung auf dem Markt nicht gefunden habe, dachte ich mir: Hier muss Bewegung rein.

futur drei: Was ist Gardorés Konzept bzw. Mission?

Laura: Wir sind ein kuratierter Marktplatz für Damen-Businessmode, das heißt, wir zeigen ganz ausgewählte Produkte, handverlesen nach bestimmten Marken. Wir haben feste Kriterien, nach denen wir Marken und Produkte auswählen, sodass sie wirklich angemessen sind für den Business-Kontext und wir sie empfehlen können. Das heißt, Gardoré fungiert als eine Anlaufstelle, an der es alles an einem zentralen Ort gibt. So nehmen wir unseren Kundinnen die Arbeit ab, von Geschäft zu Geschäft zu rennen oder sich durch tausende Produkte zu scrollen. Darüber hinaus bieten wir Hilfestellungen auf dem Weg zum richtigen Produkt, da gibt es zum Beispiel verschiedene Filter nach Dresscodes. Außerdem geben wir Tipps, was wo passt und was angemessen ist. Nicht zuletzt wollen wir auch inspirieren – wir geben Ideen, wie man sich auch mit seinem eigenen Stil innerhalb eines Dresscodes verwirklichen kann und welche Spielräume es gibt.

futur drei: Wo liegen besonders für Frauen in diesem Kontext die Schwierigkeiten?

Laura: Es gibt einige Unterschiede. Für Männer ist es teilweise auch nicht so einfach, aber ich glaube, immer noch ein ganzes Stück einfacher. Zum einen ist das Angebot für Männer schon ein ganz anderes – es gibt mehr spezialisierte Anbieter und auch mehr Anlaufstellen. Selbst in einem Peek & Cloppenburg findet man bei Männern eine viel größere Abteilung, die gezielt auf Anzüge spezialisiert ist, und die dazugehörige Beratung. Zudem haben Männer auch klarere Vorgaben – es gibt im Prinzip ja nur den Anzug; die Frage ist nur, ob mit oder ohne Krawatte. Für Frauen gibt es da viel mehr Optionen und damit auch mehr Raum für Fragen, Unsicherheiten oder Fehltritte. Frauen bekommen tatsächlich auch immer noch mehr Aufmerksamkeit für ihr Äußeres. Gut finden tun wir das wahrscheinlich nicht, aber es ist de facto so. Gleichzeitig gibt es weniger weibliche Vorbilder und Rollenmodelle: Gerade im höheren Managementlevel und in gewissen Branchen sind Frauen immer noch in der Minderheit, wodurch es einfach weniger Orientierung gibt.

futur drei: Was waren bei der Konzeption und Durchführung deiner Gründung die größten Herausforderungen und Hürden?

Laura: Es gab und gibt immer viele Hürden. Angefangen habe ich ja mit dem Problem – ich habe ein Problem beobachtet und gemerkt, dass es keine Lösung gibt. Das war die erste Hürde – wie kann man das überhaupt angehen? Darüber wollte ich natürlich erst einmal mit vielen Frauen sprechen, um zu überlegen, welches Geschäftsmodell dazu passt und wie man es wirtschaftlich lösen kann. Diese Fragen waren am Anfang eine Herausforderung, ziehen sich jedoch auch konstant weiter durch. Es ist nichts definiert – wir kopieren nicht einfach irgendwas, sondern erarbeiten alles selbst, und dieser Start auf der „grünen Wiese“ ist nicht ohne. Dann gab es natürlich Dinge wie Teamentwicklungen und Mitgründer – man findet sich, man arbeitet zusammen, man geht auseinander. Am Anfang habe ich mit einem Entwickler gearbeitet, der die erste Website gebaut hat, sich dann aber doch dazu entschied, zu seinem sicheren Job zurück zu gehen, den er eigentlich gerade erst gekündigt hatte. Dann musste ich nochmal von vorne anfangen, und habe die ganze Website, so wie sie jetzt ist, selbst gebaut, was natürlich mit meinem Business-Background eine große Hürde war. Aber irgendwie hat’s geklappt. Doch solche Sachen tauchen natürlich wieder auf: Es ist niemand da, der sagt: Mach es so! Es gibt keine Struktur, an der man sich orientieren kann. Also ist jeder Tag für uns eine Herausforderung.

futur drei: Was würdest du jungen ZU-Studentinnen und -Studenten raten, die gründen wollen?

Laura: Ich würde sagen: Machen, auf jeden Fall, und durchhalten. Ich denke, das durchhalten ist sogar das Schwierigere. Oft wird über diesen ersten Schritt gesprochen, man hat sich getraut anzufangen, und klar, der erste Schritt ist auch ein großer, aber ich habe das Gefühl, das machen heutzutage relativ viele. Jeder kann heutzutage eine Website bauen, der Zugang ist relativ einfach, und es ist ja auch total hip zu gründen, also das ganze StartUp-Getue ist schon sehr verbreitet. Aber dann kommen eben die Hürden, und man braucht doch Geld, und dann ist es eben verlockend und deutlich bequemer, in einem festen Job zu sein. Gründen ist definitiv kein Spaziergang, das muss man sich bewusst machen, es ist auch nicht so hip und glamourös wie es dargestellt wird – es ist harte Arbeit, emotional anstrengend und sehr intensiv. Daher würde ich sagen, wenn man es wirklich will: durchhalten und weitermachen.

futur drei: Was erzählst du in dem heutigen Vortrag?

Laura: Kurz gefasst: Es geht um Leadership Appearance, und wir konzentrieren uns da auf einen Aspekt. Zur Leadership Appearance gehört verschiedenes: Unser Verhalten, unser Auftreten, was wir tun und wie wir es tun, unsere Sprache: was wir sagen, wie wir es sagen, aber auch Nonverbales: Körpersprache, Mimik, Gestik und eben auch unsere Kleidung. Und wir gehen wegen unseres Hintergrundes auf diesen Aspekt ein und reden über die Kraft der Kleidung. Die richtige Kleidung wirkt nämlich nicht nur positiv nach außen, sondern hat auch eine bestärkende Wirkung nach innen. Wir wollen uns diesem Thema  erst einmal nähern: Was kann man da machen? Wie kann man dieses Potenzial für sich nutzen? Wie kann Kleidung einen bestärken, bestätigen, begeistern?

futur drei: Im Vorfeld von ZUtaten sorgten die Leadership-Vorträge für Männer und Frauen, aufgrund ihrer unterschiedlichen Titel und Beschreibungen für eine angeregte Facebook-Diskussion über Klischees, Stereotypen und Sexismus im Arbeitsumfeld. Wie stark denkst du, dass Sexismus noch heute in der Arbeitswelt präsent ist? Welche Rolle spielt dabei die Kleidung, und was kann man dagegen tun?

Laura: Wie gesagt, Frauen bekommen tatsächlich mehr Aufmerksamkeit für ihr Äußeres, zwar nicht immer und überall, aber es gibt diese Tendenz. Dass es bei unserem Workshop um Kleidung geht und wir uns auf diesen Aspekt konzentrieren, hat überhaupt nichts mit Sexismus zu tun. Das hätte man mit Männern im Prinzip genau so machen können und da gibt es jetzt einfach zwei unterschiedliche Schwerpunkte. Was man als Frau gegen Sexismus im Arbeitsumfeld machen kann ist, denke ich, einfach selbstbewusst auftreten, sich nicht irritieren lassen, zu sich stehen und da drüber stehen. Und, ganz wichtig: Auch mal was sagen, wenn man in der Situation ist, auch wenn es super schwierig ist, in so einem Moment richtig zu reagieren. Manchmal sind es ja auch Vorgesetzte oder Kunden, bei denen so etwas passiert, wo man dann auch nicht direkt weiß, wie zu reagieren ist, denn man will auch niemandem auf den Schlips treten. Das ist eine ganz schwierige Angelegenheit, für die ich auch nicht die richtige Lösung habe – aber Schlagfertigkeit ist auf jeden Fall eine Option. Wenn wir bei uns selbst bleiben und uns davon nicht unterkriegen oder einschüchtern lassen, ist das das Richtige.