Katy Cuko ist freie Journalistin, in dieser Funktion hauptsächlich tätig für den Südkurier und an der Zeppelin Universität in erster Linie bekannt für ihre polarisierende Berichterstattung über die Uni. Die einen mögen es Enthüllungsjournalismus nennen, nicht wenige halten das, was sie schreibt, für tendenziös. Angelina und Frieda haben sie zum Gespräch über ihren Werdegang, die Universität und ihr Verständnis vom Journalismus getroffen.
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Cuko erklärt zu Beginn des Interviews, dass sie selbst gar nicht vom Bodensee stammt. Tatsächlich ist sie in der DDR großgeworden und hat dort auch in den 1980er-Jahren bei einer Schülerredaktion den Grundstein für ihre journalistische Laufbahn gelegt. Damals, erläutert sie, sei es für die Bewerbung auf den Studienplatz an einer journalistischen Fakultät Voraussetzung gewesen, zuvor ein zweijähriges Volontariat absolviert zu haben. Nachdem sie dieses 1989 abgeschlossen hatte, führten zwei Ereignisse politischer und persönlicher Natur dazu, dass sie den ihr zugewiesenen Studienplatz an der Universität Leipzig nie antrat: Zum einen die Wende, zum anderen die Geburt ihres ersten Sohnes. Ihren ersten Job als Redakteurin bei der Sächsischen Zeitung hatte sie gewissermaßen dem Systembruch in ihrer Heimat zu verdanken: „In den Redaktionen vieler Zeitungen gab es plötzlich nicht mehr ganz so viele Mitarbeiter. Viele sind gegangen oder wurden gegangen, aufgrund von Verwicklungen mit Partei und Stasi. Es wurden junge Leute gebraucht.“
1996 folgte für Cuko schließlich wiederum aus familiären Gründen der Umzug an den Bodensee, verbunden mit einer länger andauernden Elternzeit. 1999 fiel ihr schließlich „die Decke auf den Kopf“ und sie begann Tätigkeiten als freie Journalistin beim Wochenblatt, bei der Seewoche und schließlich beim Südkurier. Die Entscheidung, ihren Beruf in Unabhängigkeit, aber auch in Unsicherheit auszuüben, begründet sie mit ihrer Biographie. Nur drei Jahre später wurde die Zeppelin University unter dem frisch gebackenen Präsidenten Stephan Jansen gegründet und gleichzeitig zu einem zentralen Inhalt von Cukos Tätigkeit. Von Beginn an stellte die Hochschule eine ergiebige Thematik dar: „Ich erinnere mich noch genau an mein erstes Interview mit Stephan Jansen, 2004, damals im Bahnhof Fischbach, da saßen wir stundenlang und er hat meist gegessen und geredet und ich habe zugehört und fand es wahnsinnig spannend. Ich war fasziniert.“
Die Auswirkungen der Universitätsgründung auf die Stadt Friedrichshafen vermag sie als Reig’schmeckte (schwäbisch für eine in die schwäbische Gegend zugezogene Person), wie sie selbst sich bezeichnet, durchaus zu beurteilen. Die Uni habe ihrer Ansicht nach in der Stadt eine Menge bewegt. Denn, so Cuko: „Die Leute mussten sich in vielen Dingen hinterfragen. Wie gehen wir mit jungen Leuten um? Wie sieht es mit unserer Veranstaltungskultur aus?“ Im Angesicht der „geisteswissenschaftlichen, gesellschaftspolitischen und sozialkritischen Ausrichtung“ der ZU wurden in der Stadt häufiger Fragen danach laut, was das für junge Leute sind, was für Dozenten und Professoren und wie diese zur beschaulich-schwäbischen Idylle passten. „Viele haben sich damals herausgefordert gefühlt.“ Dem scheint nicht mehr so zu sein. Und der aufmerksame Leser mag sich fragen, ob allein die Tatsache, dass die ZU nichtmal mehr die zarten Gemüter eines Schwaben bewegen kann, bereits beunruhigend ist. Cuko gibt an, dass sich in den letzten Jahren “vieles entspannt hat”. Die Uni habe mit einer stark polarisierenden Persönlichkeit wie Jansen an ihrer Spitze automatisch auch als Institution polarisiert. Darin, dass dies sich nivelliert hat, erkennt sie viel Positives: „Die Uni ist heute mehr denn je in der Stadt angekommen. Da gibt es keine Ressentiments mehr.“
Gleichzeitig gesteht sie der ZU weiterhin eine hohe Relevanz in der lokalen Presse zu. Auf die Frage danach, ob sie den Eindruck bestätigen könne, dass grundsätzlich lieber negative als positive Neuigkeiten über die Uni an die Öffentlichkeit gelangten, reagiert sie leicht gereizt. Dies sei zumindest nicht Maßstab ihrer Arbeit. Sie und ihre Kollegen berichteten gleichermaßen über sehr unterschiedliche Facetten der ZU, über das Innenleben der Organisation, über Ergebnisse der Forschung, Initiativen und Gründungen. Klar sei aber auch, dass der kritische Kontext schneller auffiele. Konkret auf Titel eigener Stücke wie „Luft raus“, „Zukunft ungewiss: In der Zeppelin Universität steht das Promotionsrecht auf dem Spiel“ oder „Zeppelin Universität braucht neue Strategie“ angesprochen, verweist sie darauf, dass ein gescheiter Titel nun mal dazugehöre, damit ein Artikel überhaupt gelesen wird. Weiterhin entscheide sie nicht unbedingt, welche Schlagzeile über ihrem Text erscheint. Dennoch stehe sie immer dahinter. „Ich versuche immer zu argumentieren und dabei, wie es die journalistische Sorgfaltspflicht gebietet, verschiedene Meinungen zu Wort kommen zu lassen.“ Sie ergänzt: „Im konkreten Falle der Reakkreditierungs-Problematik ist der ganze Vorgang so bemerkenswert gewesen, dass man schlecht darüber hinweggehen konnte.“ Zeitung habe eben auch einen öffentlichen Auftrag und sei dabei nicht bloß Information, sondern auch ein transparenzschaffendes Medium. Auch wenn das manchmal weh tut. „Und“ fügt Cuko hinzu „Bangen um das Promotionsrecht, mit Verlaub, das ist nun mal so.“ Auf Nachfrage gab hierzu Hendrik Groth, Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung, an, die Faktenlage habe in seiner Redaktion nicht für eine Veröffentlichung gereicht. Cuko ergänzt zum Thema, dass die jüngsten Entwicklungen doch ein erhebliches Problem für den Bestand der Universität in ihrer jetzigen Form darstelle. “Das zieht Folgen, Entscheidungen und im besten Falle Handlungen nach sich.” Vielleicht, so hofft sie, werden diese durch ihre Veröffentlichungen sogar beschleunigt. Denn viele der Fragen, die nun gestellt werden müssten, richteten sich an die Politik, die nicht immer im Bilde darüber sei, was konkret an der ZU passiere. Vielleicht sei es in der Stadt an der Zeit nach einem drei Jahre andauernden Sparkurs „die Daumenschrauben zu lockern“ und zu investieren, „damit die Uni mal wieder Luft und Innovationskraft schöpfen kann.“ Den finanziellen Beitrag, den die Stadt bisher zur Förderung der Universität leiste, halte sie ohnehin für zu gering. Ihre lapidar formulierte, aber deshalb nicht weniger wichtige Botschaft an die zuständigen Stellen: „Leute, ihr könnt jetzt nicht einfach zugucken, was passiert. Ihr müsst euch ein Stück weit aus der Deckung trauen.“
Ihrem Verständnis von Journalismus, versichert Cuko, entspräche es, entgegen der Kritik von Seiten der Studierendenschaft an den jüngsten Darstellungen, „nicht, dezidiert die eigene Meinung zu Wort kommen zu lassen, sondern Fakten sprechen zu lassen, Sachverhalte zu betrachten, zu beleuchten und das am besten aus unterschiedlichen Perspektiven.“ Inwiefern sie dabei ihrem eigenen Anspruch genügt, scheint vielen dennoch nicht immer eindeutig. Die studentische Kritik an ihren Artikeln kann sie selbstredend in vollem Umfang nachvollziehen. Gäbe es keine, betont Cuko, wäre sie sogar beleidigt. Sie schreibe nach dem Motto „Wer austeilt, muss auch einstecken können“ und sei über jeden dankbar, der seine Meinung ausformuliere. Bisher habe sie noch jede Nachricht von Studierenden beantwortet. „Jemand der hier an der Universität studiert, betrachtet die Entwicklungen natürlich mit Sorge und das völlig zurecht. Ich möchte nicht wissen, wie sich ein angehender Promovend fühlt, wenn er im Prozess ist, viel Geld zahlt und schließlich durch die Zeitung erfährt, dass im Juni vielleicht Sense ist.“ Erneut wirft sie die Frage in den Raum, ob sie dann nicht darüber berichten solle oder vielleicht gerade deshalb?
Den Vorwurf, zeitweise Gerüchte geschürt zu haben und über unbestätigte Tatsachen zu schreiben, weist sie entschieden zurück. Im Falle des angeblichen Hausverbots Stephan Jansens haben beispielsweise zwei Mitglieder des Präsidiums ihr genau diese Maßnahme direkt bestätigt. Möchte man dem Glauben schenken, könnte man fast zu einem paradoxen Schluss gelangen. Steht der derzeit vermutete Rauschmiss eines etwaigen Informanten tatsächlich an, so könnte das Präsidium sich eigentlich selbst feuern. Allerdings bestätigt Cuko auf Nachfrage, dass ihre Quellen für Zahlen und Fakten zahlreich seien. Und spätestens das sollte in den verglasten Büros mit malerischem Seeblick dem ein oder anderen zu denken geben.
Befragt nach ihren Enthüllungen um den Weggang des ehemaligen Universitätspräsidenten Jansen, gibt Cuko an, das Feedback ließe sich in einer Kernaussage zusammenfassen: „Endlich sagt’s mal jemand laut.“ Bis 2012 waren viele der Missstände, die ihre Recherchen zu Tage förderte, kein Thema gewesen. Zu der Zeit entschied am See noch ein kleiner Führungszirkel allein, während die anderen Anspruchsgruppen an der Uni keinen oder sehr wenig Einfluss hatten. Deshalb sei schließlich vieles lange „unter der Decke“ geblieben. Und noch immer sei nur ein Bruchteil ans Licht gekommen. Auf Grundlage ihrer Erkenntnisse, aber auch, weil sie der Sachverhalt noch immer umtreibe, werde sie vielleicht eines Tages ein Buch schreibe. Diese Ankündigung mag in den Ohren einiger sicher mehr wie eine Drohung, als wie eine Verheißung klingen.
Insa Sjurts, die sie als sachlich nüchterne Person, nicht zu vergleichen mit dem charismatischen Jansen beschreibt, attestiert sie zum Schluss noch die Bewältigung einer „brutal schweren“ Aufgabe, nämlich die Uni in ein ruhiges Fahrwasser geleitet zu haben. Nur sei es nun an der Zeit für frischen Wind, um die Köpfe freizumachen. Für einen dringend notwendigen Diskurs, sei es von hoher Relevanz, dass Leute, die Vorschläge haben, gehört werden. Fragen danach, was innerhalb der Uni gebraucht werde und welche Bedürfnisse junger Menschen von draußen, innerhalb einer Universität befriedigt werden müssen, stehen an. Denn ebenjene sollten doch mal zu Entscheidern ausgebildet werden. Dies bedeute übrigens nicht notwendigerweise einen Wechsel an der Spitze. Schließlich sei die ZU keine One-Man- bzw. One-Woman-Show mehr.
Inwiefern Katy Cuko, die selbst nie eine Universitätslaufbahn absolviert hat, dazu berufen ist die Entwicklungen an der Zeppelin Universität zu beurteilen, mag weiterhin in Zweifel gezogen werden. Ebenso werden böse Zungen auch in Zukunft noch behaupten, ihre Artikel betrieben Meinungsmache gegen die ZU. Und dennoch spricht sie einen entscheidenden Punkt an: Journalismus dient dazu Öffentlichkeit herzustellen und die darf auch negativ sein. Oder um unseren allseits bekannten Nachtwächter und Teilzeit-Philosophen zu zitieren: „Der Fisch stinkt eben vom Kopf her.“
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