Wohin geht die Reise der Zeppelin Universität?
Wie kaum ein anderes Thema beseelt die Zukunft der ZU die Gemüter der Studierenden: man redet, beziehungsweise floskelt, wahlweise über die Akkreditierung, den Dreijährigen CME Bachelor oder den schon hundertfach totgesagten Studiengang PAIR. Zwischen Tür und Angel, Zigarette und Kaffee, Hausarbeiten und Klausurenphase, berichten die Alteingesessenen von früher, wie es einmal gewesen ist und warum die ZU momentan ihr eigenes Grab mit einem Löffel schaufelt. Merkwürdig erscheint dabei eigentlich nur, dass die Bombe im Hier und Heute noch nicht detoniert ist.
Dieser Artikel stellt drei Thesen vor, die jenseits von Vergangenheitsnostalgie und Zukunftsdystopie, dazu einladen, über die Gegenwart zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu reflektieren. An die Wände hämmern darf ich sie leider nicht, da ich ansonsten in ständiger Angst vor dem Endboss Facility Management leben müsste.
1. Immer häufiger fühlt man sich etwas deplatziert, wenn man das Uni-Areal betritt. Es finden Veranstaltungen oder Workshops von externen Unternehmen statt, die die Räumlichkeiten für sich beanspruchen. Wer kennt nicht die weißen „Reserviert“-Schilder, durch welche der normale Mensabetrieb aus den Fugen quillt? Wer fühlt sich nicht etwas düpiert, wenn eine Gruppe von Besuchern (potenzielle Investoren) durch die Bib geführt wird, noch dazu laut redend. Ein Zoo hinter gläsernen Fenstern mit der Zusatzoption, in das natürliche Habitat des Homo academicus einzufallen und die Studenten hautnah bei ihren existenziellen Sinneskrisen zu analysieren.
Es geht dabei weniger um die dahinterstehende Zweckmäßigkeit, sondern um die studentische Perspektive auf ihren Alltag: ausfallendes Internet, ein Proxy Server, der nun schon im zweiten Semester hintereinander die Ausarbeitung der Hausarbeiten behindert, periodisches Krankschreibechaos und Kees, Retter derjenigen, die das Faulfieber dahinrafft. Allein der immense Ressourcenverbrauch für den immer wiederkehrenden Papierkrieg wäre eigentlich fast schon ein eigenes Thema für das Zukunftsbüro.
Als Universität sollte man die eigenen Prioritäten entlang der proklamierten Philosophie orientieren. Das so häufig bemühte Bildungsideal von Wilhelm von Humboldt ist kein Standbild, welches von außen schön aussieht, sondern muss tagtäglich gelebte Routine werden. Ein Gleichgewicht zwischen Lehrenden und Lernenden, dass nicht permanent durch äußere Einflüsse strapaziert werden sollte.
2. Was ist eigentlich mit dem Campus am Seemooser Horn, der zunehmend von Studenten gemieden wird? Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, bedenkt man die immer wieder beeindruckende Schönheit, die diesem Ort innewohnt. Doch auch hier muss die Beziehung von äußerem Schein und akademischem Sein auf den Prüfstand gestellt werden. Und das bei aller Liebe zum Pioneerport, der die Bibliothek mit dem wohlmöglich schönstem Blick Deutschlands in eine Spielwiese für Gründer verwandelt hat. Etwas ernüchternd ist es schon, wenn man wieder einmal im zweiten Stock an verschlossenen Türen kratzt, weil man noch kein innovatives und [..Ersetze durch Anglizismus..] Start Up gegründet hat, im ersten Stock von Herr Neums mit dem Regelwerk der Universität konfrontiert wird, da man schon wieder im falschen Raum zur falschen Zeit gesessen hat und sich im Erdgeschoss sogar freut, dass man ein Sahnehäubchen des MTU Vorstandstreffens abgreifen konnte.
An dieser Stelle kommt man wohl nicht ohne die Erinnerung, wie es einmal gewesen ist, aus.
3. Bis vor kurzem war in der DB Lounge ein Bild zu sehen. Es handelt sich um eine Figur mit weiß touchierter Sonnenbrille, die an einer Zigarette zieht, die nicht unbedingt nach einer Zigarette aussieht. Das Ganze wurde durch den Schriftzug „ZU Spirit at work“ flankiert. Die Aussage erscheint klar: Die Studentenschaft ist selbstbezogenem Hedonismus verfallen.
Ich tue mich mit dem Begriff des Spirits etwas schwer, weiß nicht recht was er meint. Geht es darum seine Wertsachen offen liegen zu lassen oder einen gefundenen 5 Euro Schein am Check In abzugeben? Wie dem auch sei, für mich gehört es elementar dazu, die Universität als Idee und Raum mitgestalten zu wollen.
An diesem Punkt kränkelt weniger die Institution, als die Studierendenschaft an ihrem eigenen Selbstverständnis. Einige wenige Initiativen absorbieren einen Großteil der Studierenden, während bei den anderen die Verantwortung auf zu wenigen, aber vor allem den immer gleichen Schultern ruht. Zugegeben, auch Futur drei könnte in die zweite Kategorie fallen und sucht Nachwuchs, um nicht auf dem Friedhof der Initiativen versanden zu müssen.
Selbstverständlich ist das ein vielschichtiges Phänomen. Ein Punkt wird wohl sein, dass es ein regelrechtes Überangebot an Initiativen gibt, welches für den Einzelnen schwer zu durchschauen ist.
Im Gegensatz dazu kann bei der Senatorenwahl von Optionsvielfalt keine Rede sein. So bemühten sich zwei Kandidaten um zwei Plätze, welch Fauxpas für eine Uni, an der Politik gelehrt wird.
Zu jeder These gehört eine Antithese, so viel Dialektik muss sein:
Erstens, natürlich ist der Spirit nicht tot, wenn er denn jemals am Leben gewesen sein sollte. So tritt beispielsweise das zweite Semester in vielen Initiativen in die geebneten Fußstapfen ihrer Vorgänger und straft denjenigen Lüge, der meint, die nach ihm kommenden Studenten seien pauschal inaktiv. Doch auch außerhalb der Initiativen gibt es Anlass zur Hoffnung: als sich das Gerücht verbreitete, dass Professor Schirmers Tage gezählt seien, wurden weit über hundert Unterschriften gesammelt, um Unterstützung zu bekunden.
Zweitens, natürlich sind wir eine Privatuni, mit allem was damit einhergeht. Sei es nun die Nutzung der Räumlichkeiten durch externe Unternehmen oder ein Frühbucherrabbat von 5%, um da monetäre Incentives zu setzen, wo das eigentliche Bildungsangebot nicht mehr von sich aus überzeugen kann. Doch sollte nicht trotz, sondern grade wegen des Etiketts des Privaten ein verstärktes Augenmerk auf die eigentliche Bildung gelegt werden.
Drittens, Ideale, wie jenes von Humboldt, sind ihrem Namen getreu, idealistisch, also nicht real. Dass die Realität im Umkehrschluss realistisch und nicht ideal ist, erscheint logisch. Das man sich einem Ideal in der Realität jedoch sukzessiv annähern kann, steht ebenso außer Frage.
Alle Thesen setzen dort an, wo in meinen Augen Anspruch und Realität an der ZU zu weit auseinanderklaffen. Das Ganze in eine positiv gewandten Appeal à la „Seid glückliche Puritaner und engagiert euch in Initiativen“ oder „Werdet rigorose Revolutzer und besetzt das SMH“ umzuwandeln, sei anderen überlassen.
Nach allem was gesagt wurde, so viel Dialektik muss nun wirklich nicht sein.