Als sich am Montag das Graf von Soden langsam füllte, herrschte eine gewisse Ambivalenz in Bezug auf die bevorstehende Vollversammlung. Einerseits handelte es sich bei der Veranstaltung als solcher um ein Novum, aufgrund der direkten Kommunikation zwischen Studierenden und Präsidium, andererseits ist das Thema des Akkreditierungsverfahrens eines der wichtigsten rund um die Zukunft dieser Universität und stößt somit seit geraumer Zeit in der Studierendenschaft auf großes Interesse. Verstärkt wurde das Ganze durch die im Voraus spärlich gesäten Informationen via Email, welche die unterschiedlichsten Lesearten zuließen.
Umso tosender der Applaus, als Universitätspräsidentin Insa Sjurts den Erhalt der Akkreditierung um weitere fünf Jahre bis 2023 verkündete. Im Laufe der Veranstaltung konnte das relativ komplexe Verfahren dieses Ergebnisses entschlüsselt werden, beginnend mit der Einsetzung des Wissenschaftsrates durch das Ministerium, welcher relativ hohe Anforderungen an die Universität in puncto Lehre und Forschung zu haben schien. Der entstandene Bericht wurde jedoch nicht veröffentlicht, stattdessen übernahm letztlich doch das Ministerium die Verhandlungen mit dem Präsidium. Said Werner, studentischer Vizepräsident, erachtet die vom Ministerium auferlegten Anforderungen als sehr anspruchsvoll. Dieses Damoklesschwert konnte jedoch vorerst, durch eine einvernehmliche Fristverschiebung auf 2023, entschärft werden. Laut Said hat sich nur die zeitliche Zielsetzung verändert, nicht jedoch die substantielle, sodass der Fortbestand als Universität nichtsdestotrotz eine fordernde Aufgabe bleibt.
Korrespondierend dazu die von Insa Sjurts präsentierte Trias aus Governance, Lehre und Forschung: Drei Gebiete, in welchen universitäre „Hausaufgaben“ zu erfüllen seien. Bezüglich der Governance-Struktur erachtet Frau Sjurts eine kurzfristige Realisierung für möglich, beispielhaft wurde auf die Beteiligung des Senats bei der Abwahl des Präsidenten oder die externe Überprüfung eines Berufungsverfahrens durch das Ministerium verwiesen. Daneben soll mittelfristig die Lehre den Anforderungen gerecht gemacht werden, sodass in jedem Studiengang der Anteil der internen professoralen Lehre über 50% erreicht. So soll bis Ende des Jahres ein Stellenplan verabschiedet werden, aus welchem hervorgeht, wo im Einzelnen neue Professuren vergeben werden.
Enfant terrible der gegenwärtigen Debatte ist der Forschungsbereich, in dem ein klar umrissenes Profil von Nöten ist. Selbstkritisch wurden Defizite bezüglich der eigenen Publikationsstrategie angestrichen, untermauert durch die Feststellung, dass nur ein Drittel der Publikationen in wissenschaftlichen Journals zu finden seien. Hier sollen durch Clustering sogenannte „Leuchtturmthemen“ gefunden werden, die aus der gegenwärtigen Misere geleiten. Auch sollen externe Inputs vermehrt genutzt werden, wie beispielsweise Verbundforschungsprojekte oder wettbewerblich generierte Drittmittel.
Darüber hinaus wurde vermehrt erwähnt, dass diese neuartige Zielsetzung nicht in Konflikt mit der originären Universitätsideologie treten dürfe und besonders der Einklang von Forschung und Lehre oberste Maxime dieser Bildungsstätte bleiben soll. Daneben rückte Prof. Wieland die Themen Digitalisierung und Globalisierung in den Fokus und will internationale Abschlüsse einführen, um weltweites Studium zu ermöglichen. Auch Said sieht hier das Potential der ZU, in einer konfliktreichen Zeit als Impulsgeber auf die Gesellschaft rückzuwirken.
Insgesamt kann die Veranstaltung als Erfolg gewertet werden, da einerseits eine Plattform für den direkten Austausch zwischen Studierenden und Präsidium geschaffen wurde, andererseits klar erkennbare Ziele vorgegeben wurden und Indikatoren, anhand derer die Umsetzung dieser Ziele messbar gemacht werden kann. So werden die Bewerberzahlen, die Einstellung neuer Lehrkräfte oder die Anzahl der Publikationen davon Zeugnis geben können, ob die ambitionierte Zielsetzung in der Praxis glückt und die ZU langfristig ihr Universitätsdasein sichern kann.
Dabei liegt es auch an den Studierenden selbst, selbstkritisch universitätspolitische Ereignisse zu erörtern und immer wieder auch die Frage nach der eigenen Identität zu stellen. So wird die vorangegangene Kritik sicherlich ihren Beitrag zu diesem Format geleistet haben und zeugt davon, dass geäußerter Unmut durchaus ernst genommen wird. Daneben muss sich insbesondere im Themenfeld der Forschung seitens der Studentenschaft ein vitales Interesse entwickeln, welches sich nicht in den Vorlesungen erschöpft, sondern in der Praxis kreativ genutzt wird. Doch auch hier zeugt die Drittauflage des Wilhelm oder das dazugehörige neue Programm bei Welle 20 davon, dass dieser Prozess bereits selbstständig entsteht. Somit bedarf es neben institutionellen Modifikationen gleichermaßen an selbstkritischen und lernhungrigen Studierenden, die nicht in rückwärtsgewandter Nostalgie die Vergangenheit glorifizieren, sondern die Zukunft nach eigenen Maßstäben zu gestalten suchen.