Die ZU bekommt (wieder) einen neuen Präsidenten. Aus diesem Anlass hat die Redaktion von futurdrei beschlossen, mal an der Tür des womöglich schönsten Büros Baden-Württembergs zu klopfen und ein paar Fragen zu stellen. Zu unserem Erstaunen wurden wir auch reingelassen und der neue Präsident Herr Prof. Dr. Klaus Mühlhahn empfing uns an seinem 10. Arbeitstag für ein Interview.
Auf Grund der Länge des Gesprächs haben wir das Interview in zwei Artikel aufgeteilt. In diesem Teil stellen wir Fragen zu der Person hinter dem Amt, zu Herrn Mühlhahns Ideal der Universität und inhaltliche Fragen zu der zukünftigen Ausrichtung der ZU.
Leon: Willkommen an der ZU. Es freut uns, dass sie hier sind. Sie sind die dritte Person, die das Präsidentenamt übernimmt. Unser Gründer Stephan Jansen hat durch Mut und Unternehmergeist überzeugt, war aber unter anderem wegen Verdacht auf Betrugs und Bestechlichkeit sehr umstritten. Insa Sjurts hat vor allem auf eine erfolgreiche Reakkreditierung hingearbeitet, wurde aber häufig auf Grund der fehlenden Bereitschaft, mit den Studierenden zu kommunizieren, kritisiert. Wie Sie sehen, sind die Erwartungen an unsere Präsidenten sehr hoch. Warum haben Sie sich für diesen undankbaren Job beworben?
Mühlhahn: Ich habe enorm viel Respekt vor der Arbeit meiner Vorgänger, zu denen ich übrigens auch Alfred Kieser und Josef Wieland zähle, die in durchaus nicht einfachen Übergangsphasen dankenswerterweise das Präsidentenamt inne hatten. Respekt deshalb, weil man hier gleichsam aus dem Nichts eine solche Universität aufgebaut hat. Eine kreative und agile Universität, die für Innovationen im Hochschulbereich steht. Genau das finde ich total spannend.
Leon: Um weiter warm zu werden haben, wir uns eine Schnellfragerunde überlegt, also kurze Fragen und kurze Antworten. Warum glauben Sie, dass Sie die richtige Person für diesen Job sind?
Mühlhahn: Ich bringe vielfältige Erfahrungen mit und kann mich für die Mission, aber auch die Eigenwilligkeiten der ZU begeistern.
Ciara: Was meinen Sie mit Eigenwilligkeiten?
Mühlhahn: Die ZU ist eine lebendige Universität, an der man viel diskutiert und neue Wege sucht. Hiermit grenzt sie sich klar von der „Zählebigkeit“ und Pfadabhängigkeit großer Universitäten ab.
Ciara: Welches Buch sollten alle Studierenden gelesen haben?
Mühlhahn: Weil ich aus dem sinologischen Fachbereich komme, würde ich die „Sechsunddreißig Strategeme“ vorschlagen. In dem Buch werden 36 Listen dargestellt, mit denen man besser durch das Leben kommt.
Leon: Welche Führungspersönlichkeit ist für Sie ein Vorbild und warum?
Mühlhahn: Da muss ich nachdenken … Ich habe sehr großen Respekt vor Barack Obama, der sehr ausgleichend und moderat regiert hat, aber trotzdem eine klare Vision verfolgte.
Ciara: Welche Frage würden Sie an den Gründer der Universität stellen?
Mühlhahn: Ich würde ihn nach seiner Ursprungsvision fragen. Und danach, wie die Vision und die Universität seiner Meinung nach in 20 Jahren aussehen könnte. Meine Absicht ist es, ihn aufzusuchen und genau das zu tun.
Leon: Welcher falsche Eindruck könnte entstehen, wenn jemand – so wie wir – nur ihre Begrüßungsrede gehört hat?
Mühlhahn: (lacht) Die Begrüßungsrede ist sehr stark intern ausgerichtet gewesen. Mir ging es aber besonders darum, die ZU-Gemeinschaft zum Zeitpunkt der Corona-Pandemie anzusprechen.
Vorstellung und Inhalte der Universität
Ciara: Jetzt haben Sie den ersten Teil geschafft und wir starten mit den inhaltlichen Fragen. In der Begrüßungsrede haben Sie erwähnt, dass Sie die ZU als „beste Privatuniversität Deutschlands“ hervorheben wollen. Wie definieren Sie in diesem Zusammenhang Erfolg?
Mühlhahn: Es wäre ein Fehler, eine private Universität nur am wirtschaftlichen Erfolg zu messen. Natürlich muss eine private Universität nachhaltig sein, aber die Zielindikatoren dürfen nicht ausschließlich finanzielle Indikatoren wie die Einnahmen durch Studiengebühren oder die Summe von Drittmitteleinwerbungen sein. Viel eher sollte die ZU durch innovative Forschungsprojekte auf sich aufmerksam machen, moderne und aktuelle Studienprogramme anbieten sowie eine hohe Studienzufriedenheit sicherstellen. Die Universität soll ein lebendiger Ort und eine vibrierende Gemeinschaft sein, in der kontrovers diskutiert wird. Hiermit unterscheiden wir uns auch klar von staatlichen Universitäten, denn wir können selber definieren, was Erfolg ist.
Ciara: In diesem Kontext stellt sich auch die Frage nach der Positionierung in Rankings. Wenn Sie ein Ranking erstellen müssten, welche drei Kriterien wären für die Beurteilung einer Universität entscheidend?
Mühlhahn: Ich bin ein großer Skeptiker gegenüber Rankings. Meine drei Kriterien für eine Universität wären kreative und aufregende Studierende, hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und eine agile Verwaltung. Doch wie kann man diese Kriterien in einem Ranking bemessen?
Ciara: Sie haben in Ihrer Begrüßungsrede auch von einer gemeinsamen Vision gesprochen, an deren Erarbeitung die Studierenden einen Anteil haben sollen. Wie stellen Sie sich das konkret vor?
Mühlhahn: Die Studierenden sind ja in verschiedener Weise in Gremien repräsentiert. In diesen Gremien soll eine Vision erarbeitet werden, indem diskutiert wird, für was die ZU stehen will und welche Werte sie verkörpern soll.
Ciara: Die Hochschulgremien werden zwar von den Studierenden gewählt, doch repräsentieren diese wirklich die gesamte Studierendenschaft?
Mühlhahn: Nein. Aus diesen Gründen würde ich vorschlagen, die Vision in einem eher kleinen Kreis zu erarbeiten und dann in einem Town-Hall-Meeting gemeinsam mit den Studierenden und anschließend auch mit der Verwaltung und den Professorinnen und Professoren zu diskutieren.
Ciara: Könnten Sie sich vorstellen, ein solches Town-Hall-Meeting nicht nur zur Erarbeitung der Vision, sondern regelmäßiger zu veranstalten, um mit den Studierenden in Interaktion zu treten?
Mühlhahn: Gerade, weil ich die Universität noch nicht so gut kenne, halte ich es für enorm wichtig, auf jeder Ebene den Kontakt zu Studierenden zu suchen. An meinem ersten Tag wollte ich eigentlich in die Universität gehen oder mich an den Eingang stellen, um die Leute kennenzulernen. Das hat auf Grund der Corona-Pandemie leider nicht funktioniert. Als Ersatz haben wir die Begrüßungsveranstaltung organisiert. Neben den Town-Hall-Meetings möchte ich auf jeden Fall eine Studierendensprechstunde anbieten.
Ciara: Was denken Sie, von welchen Eigenschaften einer staatlichen Universität die ZU lernen kann?
Mühlhahn: Ich kenne die Stärken und die Schwächen und möchte dieses Wissen nutzen, damit wir als ZU in diesem Wettbewerb eine reelle Chance haben. Indem wir Dinge anders machen, neu machen und entsprechend Leute anziehen. Zum einen können wir uns einiges von der Professionalisierung und den Prozesskenntnissen staatlicher Universitäten abschauen. Gleichzeitig ist es aber auch hilfreich zu sehen, welche Schwächen sie haben: So gehen beispielsweise die einzelnen Studierenden an Massenuniversitäten häufig unter. Eine Universität wie die ZU hingegen muss versuchen, die Persönlichkeiten und Talente auf allen Ebenen zur Entfaltung zu bringen.
Ciara: Wie wollen Sie auf Studierende zugehen, die sich fragen, ob Sie die geeignete Person sind, um unsere Universität zu führen?
Mühlhahn: Skepsis ist vollkommen berechtigt. Wir kennen uns ja auch noch nicht. Hundert Prozent kann man nie mitnehmen, aber man muss versuchen, so viele wie möglich mitzunehmen. Das geht nur, indem ich neugierig und lernfähig bin und Kritik und Skepsis ernstnehme.
Inhaltliche Schwerpunkte
Leon: Im uniinternen Diskurs wird oft die Zukunftsausrichtung der Universität diskutiert und dabei das Spannungsfeld zwischen Business School und kulturwissenschaftlicher Fakultät angesprochen. Mit Blick auf die neuen Lehrpläne und den dreijährigen CME-Bachelor stellt sich die Frage, ob wir zur Business School mutieren. Wie sieht Ihr Fokus aus?
Mühlhahn: Ich bin ja noch im Lernprozess, aber ich halte die Ursprungsidee dieser Universität für essentiell, dass man gemeinsam etwas zwischen Kultur, Politik und Wirtschaft baut, was sich gegenseitig befruchtet. Wir wollen Menschen Bildung vermitteln, die gewissermaßen bei wichtigen Entscheidungen eine ganze Bandbreite von Faktoren berücksichtigen können: sowohl ethische und philosophische als auch anthropologische Aspekte. Praxis und die wirtschaftliche Komponente spielen natürlich trotzdem weiterhin eine Rolle. Ich würde gerne die Ursprungsvision beibehalten, diese jedoch an die neuen Umstände und Entwicklungen anpassen und modernisieren. Sollten wir unser kulturwissenschaftliches Angebot verändern und ergänzen? Und sollten wir, angesichts der neuen digitalen Kontexte, einen stärkeren Fokus auf Digitalisierung setzen?
Ciara: Digitalisierung ist ein gutes Stichwort. Sie haben sowohl in Ihrer Bewerbungsrede als auch in Ihrer Antrittsrede immer wieder diesen Begriff angesprochen. Ich verstehe, dass Digitalisierung im 21. Jahrhundert unumgänglich ist. Jedoch frage ich mich, ob eine Ausrichtung auf Digitalisierung an der ZU die richtige ist. Im Gespräch mit Kommilitonen wurde immer wieder Kritik laut, dass wir uns als kulturwissenschaftliche, politische Institution eher auf große gesellschaftliche Probleme fokussieren sollten, statt auf das abstrakte Thema Digitalisierung.
Mühlhahn: Ein guter Einwand. Es gibt zwei Vorbehalte, die Sie haben. Erstens: Digitalisierung, das machen jetzt schon alle. Zweites: Wenn jeder darüber spricht, warum sollte das die ZU jetzt auch noch tun? Und passt das überhaupt zum Profil der Universität? Wir können es uns jedoch gar nicht mehr aussuchen, ob wir Digitalisierung wollen oder nicht – dafür ist es zu spät. Im 21. Jahrhundert können wir unsere Aufgabe als Bildungsinstitution nicht mehr gerecht werden, wenn wir den Menschen nicht beibringen, Digitalisierung zu bewältigen, zu kontrollieren und auch die Folgen und die Nachteile zu verstehen. Und genau dafür bringt die ZU die idealen Voraussetzungen mit. Das heißt aber nicht, dass wir die anderen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Migration, gesellschaftlicher Wandel, Strukturwandel nicht ernst nehmen sollten. Die Digitalisierung sollte diese Themen nicht ersetzen, sie ist aber eine Basisfertigkeit.
Leon: Diversität sollte heute eine Selbstverständlichkeit sein. An der ZU sind viele soziale Gruppen immer noch unterrepräsentiert. Wie wollen Sie für eine bessere Repräsentation sorgen, sowohl für Studierende mit Migrationshintergrund als auch für Studierende aus Nicht-Akademiker-Haushalten?
Mühlhahn: Beides ist sehr wichtig und zwar nicht nur bei den Studierenden, sondern in allen Statusgruppen. Bei den Studierenden müssen wir uns fragen, wie kommen wir bei der Rekrutierung an die jeweiligen Zielgruppen heran? Wie können wir diese besser ansprechen? Finden wir FörderInnen, die sich explizit stärker für Diversität einsetzen wollen? Ich muss mich hier noch genauer einarbeiten, aber Diversität ist ein Thema, dass mir sehr wichtig ist. Ein Ansatzpunkt wäre, sich für mehr Diversität der Professorinnen und Professoren, des Mittelbaus und der Mitarbeitenden in der Verwaltung einzusetzen. Denn dann werden auch die Studierenden diverser.
Leon: Sollte die Marketing-Strategie auch dementsprechend angepasst werden?
Mühlhahn: Ja, wir sollten Diversität ganz klar als Ziel formulieren. Ich sehe da auch keinen Widerspruch, wenn Leute, die bisher zu uns gekommen sind und beispielsweise aus dem Kontext von Familienunternehmen kommen. Die wollen wir hier auch weiterhin. An Ende profitieren alle Studierenden davon, wenn wir eine Vielfalt von Auffassungen, Hintergründen, Erfahrungen hier haben. Denn so sieht auch die Welt aus, die draußen auf sie wartet.
Hier endet der erste Teil des Gesprächs. Im zweiten Artikel, der kommende Woche veröffentlicht wird, wird sich alles um die Themen Reakkreditierung, Forschung und Lehre und den Austausch und Umgang mit China drehen. Außerdem wird Herr Mühlhahn einen Ausblick auf das Fall-Semester 2020 geben.
Bis bald und schreibt uns gerne eure Anmerkungen und Fragen in die Kommentare.
“Ciara: Die Hochschulgremien werden zwar von den Studierenden gewählt, doch repräsentieren diese wirklich die gesamte Studierendenschaft?
Mühlhahn: Nein. […] ”
Solche Sätze unhinterfragt in der Studentenzeitung einer Hochschule zu lesen, die mit den Ämtern der Studentischen Vizepräsidentschaft und der Studentischen Senatoren Pionier in Sachen studentischer Repräsentanz bis in höchste (!) Entscheidungsgremien ist regt zum Nachdenken an.