Die ZU ist eine kleine, familiäre Universität, an der Solidarität und faires Miteinander großgeschrieben werden. Dieser Punkt ist maßgeblich für den Flair an der Uni und den bekannten „ZU-Spirit“, mit dem die Uni bewusst nach außen für sich wirbt.
Für mich bedeutet dieser Spirit gemeinsam füreinander einzustehen, ein solidarischer Umgang miteinander, aber vor allem, sich gegenseitig tolerant und respektvoll zu begegnen und sich gegenseitigen Raum zur Selbstverwirklichung zu lassen. Für diesen Spirit scheinen sich alle zu feiern und ihn als Argument dafür hervorzuheben, was die ZU so besonders macht.
Doch wird dieser Spirit wirklich so gelebt, wie es immer dargestellt und gewünscht wird?
Können wir uns wirklich dafür feiern?
Was ich in den letzten Wochen und Monaten erlebt und beobachtet habe, stellt genau das in Frage, vor allem bei durch die in meinen Augen besonders prägnante, vorurteilsbehaftete Einordnung von Personen, unter anderem auch bloß aufgrund ihres Studiengangs.
Ich bin Erstsemesterstudierende. Insofern ist meine Perspektive noch eher neutral und wird vor allem durch meine Vorstellung beeinflusst, was ich von dieser Institution und den eingebundenen Personen erwartet hatte und welche Wünsche ich bezüglich des Umgangs an dieser Universität habe.
Insofern werden in diesem Artikel zwei ambivalente Erscheinungen aufeinanderprallen: Schubladendenken und Vorurteile vs. ZU-Spirit und Toleranz. Die Frage ist: Schließen diese sich nicht eigentlich kategorisch aus?
Vorurteile – eine Auseinandersetzung
Was genau sind Vorurteile?
Für den Begriff gibt es, je nach Kontext und der Perspektive, die verschiedensten Definitionen. Was jedoch mit unter den Themenblock Schubladendenken und Vorurteile zählt, ist der Begriff der Stereotypen. Nach Günter Frieshahn dienen beide Begriffe dazu, Komplexitäten zu reduzieren und unsere eigene Welt überschaubar zu machen. Die Anwendung von Vorurteilen und Stereotypen schaffen zumeist das Gefühl von Sicherheit über das eigene Handeln, und sie können zudem dazu beitragen, dass das Selbstwertgefühl stabilisiert wird. Stereotypen und Vorurteile entlasten unser Alltagsbewusstsein. Heißt, dass wir nicht immer wieder Situationen und Personen neu bewerten oder interpretieren müssen. Somit erfüllen sie nicht nur eine individuelle, sondern auch eine gesellschaftliche Funktion.
Wichtig ist, zwischen den beiden Begriffen zu unterscheiden. Nach Frieshahn ist ein Stereotyp eine „verallgemeinerte, klischeehafte, vereinfachte Vorstellung“, mit welcher die eigene Umwelt charakterisierbar ist. Klischees sind kognitiv bedingt und leicht veränderbar. Im Gegensatz dazu ist ein Vorurteil ein vorgefasstes Urteil, welches ohne eigene Vorerfahrung angewendet wird und von negativen, sowie positiven Gefühlen begleitet werden kann. Umso stärker dabei diese Gefühle sind, umso schwieriger wird es dieses Vorurteil zu verändern, da es immer resistenter wird.
Ob der Umgang der Studierenden nun von Vorurteilen oder von Stereotypen begleitet wird, ist nicht allgemeingültig festzumachen, da dies von Person zu Person abhängig ist. Beides führt aber zu einem Schubladendenken, welches in meinen Augen an dieser Universität sehr präsent ist. Besonders beliebt dabei die gegenseitige Einordnung und Vorurteilsbildung von Studierenden auf Basis ihres Studiengangs.
Vier Studiengänge, vier Schubladen!
Aus Erzählungen von anderen Studierenden und aufgrund meiner eigenen Erlebnisse habe ich versucht, die typischsten und häufigsten vorurteilsbelasteten Aussagen zusammenzufassen:
CMEler*innen sind geld- und machtgierig. Ihr Interesse und ihre Fähigkeiten gelten nur der Wirtschaft. Praktisch, so können sie sich später auch ihren dekadenten Lebensstil leisten, von dem, ihr Weltbild entsprechend, einzig nur sie profitieren.
SPEler*innen haben ihre Leidenschaft in Soziologie oder Politik (oder Wirtschaft) gefunden. Großartig. Brotlose Kunst also. Im Vergleich zu PAIR- und CME- Studierenden wirken sie grenzenlos zerstreut und chaotisch versunken in ihren Gedanken.
Wer sind eigentlich die PAIRler*innen? Oftmals weiß man das gar nicht so recht, oder kennt die Gesichter nicht richtig. Langweilig, wenig präsent und ein bisschen streberhaft. Aber auch PAIRler*innen möchten in ihrem zukünftigen Berufsfeld die gesamte Welt retten. Meist sind es links-grün-versifften Gutmenschen, welche oftmals als Taxifahrer*in tätig werden.
CCMler*innen machen unsere Uni bunt! Erkennbar an ihrem unverkennbaren Galeristen- Kleidungsstil. Die kreativen Querdenkender-Studierenden, die gerne auch mal was Illegales rauchen. Aber können die auch Wissenschaft?
Diese Zuschreibungen sollten jedem an der ZU einigermaßen bekannt sein. Diese Thematik scheint aber bisher bestenfalls belächelt oder ins Lächerliche gezogen zu werden – denn wer versucht schon aktiv im Uni-Alltag, seine Vorurteile über Bord zu werfen? Eher wird darüber gewitzelt und die Kategorisierung von Kommiliton*innen zum gängigen Habitus gemacht. Das Thema jedoch ins Lächerliche zu ziehen, heißt, ins Lächerliche zu ziehen, dass man genauso wie die anderen am eigenen Platz haftet.
Wichtig ist, dass Vorurteile normal und menschlich sind. Unsere Gehirne brauchen diese Kategorisierung, um nicht völlig überfordert zu sein. Deshalb ist es umso wichtiger, sich dessen bewusst zu sein oder sich zu bemühen, sich immer wieder neu daran zu erinnern.
Zu was führt Schubladendenken?
„Laaaangweilig!“ oder „Daran wird sich eh nie etwas ändern und so schlimm ist das ja auch gar nicht!“ werden sich vielleicht einige von den Studierenden denken. Zumindest habe diese Sätze manchmal von ZUler*innen zu hören bekommen, wenn ich berichtet habe, worum gerade meine Gedanken schweifen.
Aber zu versuchen, diese Erscheinung von Vorurteilen zu ignorieren und sich dessen nicht bewusst werden zu wollen, erschwert den Umgang untereinander. Denn Schubladendenken steuert unsere Wahrnehmung und es hindert uns daran, neue Erfahrungen zu sammeln, da es meist zu einer Meidung des Kontakts mit den vorurteilsbehafteten Objekten/Subjekten kommt. Es werden weitreichende Schlüsse auf Persönlichkeit und Charaktereigenschaften gezogen, ohne konkrete Informationen über das entsprechende Individuum oder den Sachverhalt zu besitzen.
Wir stecken also andere Menschen in Schubladen, während wir meist selbst darin gefangen zu sein scheinen. Doch können wir uns darin wiedererkennen?
Die ungefilterte Reproduktion und Anwendung von Vorurteilen kann sehr verletzend sein. Die Gefahr ist deshalb groß, dass wir uns irgendwann diesem Fremdbildnis fügen werden. Vielleicht weil es einfach zu anstrengend ist, immer wieder dagegen anzukämpfen. In jedem Fall produziert das Schubladendenken aber einen subversiven negativen und verächtlichen Modus unter den Studierenden.
Aber wollen wir das?
Diese Uni steht explizit für Freiraum zur Selbstentfaltung, zum Suchen und Finden. Es gibt wohl keine Person, die gerne aufgrund von Vorurteilen anders behandelt und sich nicht selbst aus der zugewiesenen Schublade befreien wollen würde.
Und deshalb ist eben nicht langweilig, denn betroffen davon ist jede Person an dieser Universität!
Es gibt keine Zauberformel, die unser Gehirn verbietet so zu agieren. Aber es gibt ein ganz einfaches Rezept, wie Vorurteile weiterhin existieren, unser Zusammenleben aber nicht unbedingt negativ beeinflussen muss: sich dessen bewusst werden und aktiv dagegen anzugehen!
Wenn wir uns bewusst darüber sind, woher die Vorurteile stammen und sie kritisch hinterfragen, können wir sensibilisiert damit umgehen und reproduzieren nicht mehr haltlos diese Kategorisierungen.
Somit schaffen wir uns und anderen mehr AktionsFREIraum.
Und dann ist es auch nicht mehr unbedingt ambivalent zum sogenannten ZU-Spirit. Ganz im Gegenteil – DAS wäre Spirit!
Ich stimme der Autorin im großen und ganzen zu, jedoch will auch ich mich an dieser Stelle als jemand “outen”, der ab und zu vorurteilshafte Bemerkungen gegenüber anderen Studiengängen macht. Gleichzeitig finde ich es aber auch vollkommen in Ordnung, wenn jemand solche Kommentare über mich & meinen Studiengang (PAIR) äußert. Denn wenn jemand solche Bemerkungen macht (mich eingeschlossen), dann sind sie in den allermeisten Fällen als Scherz gemeint und ziehen auch in keinster Weise eine “Anders-Behandlung” der betroffenen Studenten mit sich. Natürlich sind Vorurteile nichts wünschenswertes, aber ich finde man sollte der ganzen Angelegenheit mit ein bisschen mehr Gelassenheit begegnen und eine Art “Humor” für solche Bemerkungen entwickeln.