Sie macht mit Kampfjets auf die Fragilität von Männlichkeit aufmerksam: die renommierte, britische Künstlerin Fiona Banner aka The Vanity Press thematisiert in ihrer Arbeit die Zerrissenheit der Gegenwartsgesellschaft und kritisiert dabei auch immer wieder den Einsatz von Waffen in Hollywoodfilmen. Nun ist eines ihrer Werke in der White Box der Zeppelin Universität im Rahmen des Jahresthemas „Being Wrong“ zu sehen. Zuvor wurde die Videoarbeit „Pranayama Organ“ aus dem Jahre 2021 in Deutschland erstmals in Dortmund ausgestellt, ehe sie Rahel Spöhrer, Kuratorin und Leiterin des universitätsinternen artsprogram – die mit der Arbeit erstmals an der Biennale in Venedig konfrontiert wurde – für die Ausstellungsdauer eines Semesters an die Zeppelin Universität holte. Am vergangenen Freitagabend eröffnete die Ausstellung „Pranayama Typhoon“ mit einem Künstlerinnengespräch, passend zum Kunstfreitag der Stadt Friedrichshafen und ist fortan täglich von 10 bis 16 Uhr für Besuchende zugänglich.
Die Vernissage am Freitagabend startete gegen 18 Uhr mit Getränken und kleinen Verpflegungen im Zwischenraum vor der White Box im Universitätsgebäude am Fallenbrunnen. Zu den vielen Gästen aus Friedrichshafen, die den Weg aus dem Stadtzentrum, wo der Kunstfreitag parallel im Kiesel des Medienhauses am See eröffnet wurde, gesellten sich vereinzelt Studierende der Zeppelin Universität. Auch zwei von Banners Galeristinnen reisten aus London und Berlin an. Gegen 20.30 Uhr startete das von Rahel Spöhrer moderierte Künstlerinnengespräch mit einer Ansprache von Prof. Dr. Karen van den Berg zum Jahresthema „Being Wrong“, innerhalb derer auch der andauernde Krieg in der Ukraine nicht unausgesprochen blieb.
Die zehnminütige Videoarbeit „Pranayama Organ“ wurde im Jahre 2021 an der Südküste des Vereinigten Königreiches, während des zweiten Lockdowns aufgenommen. Die Aufnahme zeigt zwei aufblasbare militärische Flugzeug-Attrappen eines Typhoon und eines Falcon in Originalgrösse, die sich nach anfänglichem Aufblasen in einer Mischung aus Tanz und Kampf, Intimität und Abstossung, mal rhythmisch, mal vom Wind getrieben, bewegen. Die Arbeit strahlt gleichermassen Konflikt und Harmonie aus, wobei die Situation, auf den dramaturgischen Höhepunkten – von denen es einige innerhalb des Films gibt, auch das zeichnet die Arbeit Banners aus – sich immer wieder selbstentschärft oder durch den Wind abgelenkt wird. Die Orgelklänge, welche den Tanz begleiten und auf den Kult-Song „Wild is the Wind“ verweisen, tun ihr Übriges zur mimetischen Naturmetaphorik, die in Banners künstlerischer Arbeit eine entscheidende Rolle spielen. Der Film, die Musik und der Ausstellungsraum ergeben in der Ausstellung „Pranayama Typhoon“ ein anregendes Gesamtkunstwerk, das zum kritischen Nachdenken über Zivilgesellschaften, Territorien, Verteidigung und Kampf, und dabei Begriffe wie Brutalität, toxische Maskulinität und epische Naturaufnahmen miteinander verbindet, gleichzeitig aber auch Verletzlichkeit, Vergänglichkeit bis hin zu Melancholie zeigt – allemal grandios.
In einem anschliessenden Gespräch zwischen Kuratorin Spöhrer und Banner wurden neben Fragen zum Werk und dessen Realisierung auch Brücken zu früheren Werken der Künstlerin und Professorin für Perspektive an der Royal Academy in London. Als sich das Gespräch auf das Interesse Banners an der Inszenierung von Waffen und insbesondere Kampfflugzeugen in Hollywoodfilmen lenkt – in dessen Zusammenhang Banner in den 1990er Jahren das Buch NAM veröffentlichte, in dem sie sechs berühmte Hollywood-Vietnamfilme, darunter Full Metal Jacket und Apocalypse Now, in ihren eigenen Worten nacherzählt – kritisiert Banner auch den neuen Top Gun Maverick Film und die dortige auf die Spitze getriebene Heroisierung von Kampfjets. Die Künstlerin weiss, wovon sie spricht, denn ihre erste Arbeit aus dem Jahre 1994 bezog sich auf nichts anderes als auf den Film mit Tom Cruise.
Die Reaktionen der rund hundert Ausstellungsbesuchenden am Abend der Vernissage waren ausschliesslich positiv, so dass sich zu Stoßzeiten, vor und nach dem Künstlerinnengespräch, mehr als 20 Personen in der White Box drängten. Das Sitzkissen „Soft Parts Wing“ vor der Leinwand, das einer Tragfläche des Typhoon-Kampfjets in Originalgröße nachempfunden ist, wurde dadurch schnell erschöpft. Eine erhoffte Diskussion mit dem Publikum blieb jedoch aus, was mitunter der Tatsache geschuldet sein könnte, dass die anspruchsvolle Arbeit Banners zu einer tieferen Reflektion einlädt und ausserdem einer längeren Verarbeitungszeit bedarf. Damit reiht sie sich in das Jahresthema „Being Wrong“ ein, das begleitet von einer Ringvorlesung, bei der die grundlegende existentielle, kulturelle, ja fast ontologische Dimensionen des Falschen jeden Dienstagabend in der Black Box der Zeppelin Universität aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Das Jahresthema soll laut artsprogram einen Anstoss, zumindest zum Überdenken gegenwärtiger persönlicher, aber auch gesellschaftlicher Handlungsprämissen liefern.