Viele Soziologen haben diesen Tag schon kommen sehen, fürchteten sich jedoch zu sehr um ihre akademische Reputation als, dass sie eine derartige Prognose hätten wagen können. Doch nun ist es so weit kommen: Der Soziologie-Klassiker und ehemalige Professor an der Universität Bielefeld Niklas Luhmann hat sich im Grab des Waldfriedhofs seiner Heimatstadt einmal um 180 Grad umgedreht. Die gesamte Geistes- und Sozialwissenschaft hängt nun gebannt an dieser Sensationsmeldung und versucht akribisch nachzuvollziehen, wie es nur so weit kommen konnte.
Die Redaktion von Futur drei wollte sich allerdings nicht mit wilden Spekulationen zufriedengeben und nahm den weiten Weg nach Bielefeld auf sich, um Niklas Luhmann persönlich zu befragen:
Futur drei: Guten Tag, Herr Luhmann, wie geht es Ihnen?
NL: Ach nennen Sie mich Niklas! Mir geht es blendend, obwohl ich mich in meinem Grab nicht sonderlich anders als in meinem ehemaligen Büro fühle. Nur mit der Soziologie gelingt ein so reibungsloser Übergang vom schummrigen Uni Büro in das Jenseits.
Futur drei: Das erfreut uns sehr! Könnten Sie eventuell Stellung zu den Schlagzeilen der letzten Tage beziehen? Sie wissen schon, das mit dem Grab!
NL: Ja, auch wenn es mir nicht leichtfällt! Wissen Sie, mit meiner Systemtheorie hatte ich ursprünglich vor, die soziologische Wissenschaft spaßeshalber mit einer ziemlich banalen, wie auch verwirrend formulierten Idee, sinnlos ins Grübeln zu bringen. Eigentlich war ich in der Erwartung, dass irgendjemand schon meine Farce demaskieren wird; doch nun werden meine im LSD-Rausch wild synthetisierten Ideen auf einmal zum akademischen Goldstandard in der Soziologie!
Futur drei: Das ist ja dramatisch! Dann ist alles, was sich der soziologische Lehrstuhl unserer Universität auf die Fahne schreibt – vorsichtig ausgedrückt – akademischer Kokolores?! Was raten Sie denn der soziologischen Wissenschaft? Müssen wir uns völlig neu ausrichten?
NL: Da können Sie nichts machen, außer weiter versuchen, in meinen Gedankendschungel irgendwelche Ideen hineinzuinterpretieren! Ich empfehle für die Lektüre meiner Texte die Anwendung dieser hochdosierten Fentanyl-Pflaster; da kommen Sie auf Sachen, das können Sie sich nicht vorstellen. Gehen Sie einfach zu meinem ehemaligen Apotheker und sagen, dass Sie Soziologie studieren, dann kriegen Sie das auch rezeptfrei!
Futur drei: Wie interessant! Das könnte den ausgiebigen Marihuana-Konsum an unserer Universität erklären. Wer oder was ist denn heutzutage Ihrer Ansicht nach in den Soziologie-Charts?
NL: Naja, die aktuelle Neuauflage der Real-Soziologie wird immer vormittags auf RTL II ausgestrahlt. So etwas hätte ich damals auch produzieren sollen, nicht zuletzt, weil dann die Systemtheorie auch den Bodensatz unserer Gesellschaft mit Hochkultur bereichert hätte. Aber genug Gerede für heute, ich muss wieder zurück in mein Grab; nachher heißt es noch, Niklas Luhmann ist gar nicht tot!
Futur drei: Es hat uns großes Vergnügen bereitet, mit Ihnen zu diskutieren, Niklas!