Erstsemester ZU – Der Realitätscheck

Zu Beginn dieses Semesters haben sich 130 Erstsemester auf das Experiment ZU eingelassen. Zur Halbzeit des Semesters ein Abgleich mit ihren Erwartungen. Bildquelle: ZU.de

„Wozu ZU?“

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Kaum eine Frage bekommt man im Laufe der Bewerbung für einen Studienplatz so oft gestellt wie diese. Von den Eltern, wenn man ihnen von den Studiengebühren erzählt. Von den Freunden, wenn sie zum ersten Mal von Friedrichshafen hören. Von den Kommissionsmitgliedern am Auswahltag, wenn sie die Motivation des nervösen Bewerbers zu hinterfragen versuchen. Und dann schließlich von den werten Mit-Erstis, wenn sich das Smalltalk-Repertoire endgültig dem Ende zuzuneigen droht.

 Antworten auf diese Frage gibt es viele und jeder hat seine eigenen. Einer der gängigsten Gründe für das Studium an der ZU ist wahrscheinlich das Lehrkonzept. Interdisziplinär, forschungsorientiert und diskursgetrieben soll es sein. Und vor allem: In Kleingruppen umgesetzt. Wer schon einmal eine staatliche Universität besucht hat, weiß um das Leiden mit den großen Vorlesungen. Der Professor liest irgendwo da vorne seine Folien ab, hinter einem wird lautstark das neue Kollegah-Album besprochen, die Sitznachbarn lackieren sich die Nägel oder bereichern das Leben ihrer Snapchat-Follower. Lerneffekt? Tendenziell gegen Null.

 Entsprechend frustriert fiel die Reaktion des einen oder anderen Erstsemesters aus, nachdem sich auf den Stundenplänen drei Vorlesungen im Großformat und einige überfüllte Kurse wiederfanden. Wie nach den ersten Protesten von Seiten der Universität mitgeteilt wurde, sind größere Lehrveranstaltungen im Rahmen des reformierten Zeppelinjahres jedoch nicht mehr ausgeschlossen. Das steht auch so in den aktuellen Studienverträgen, wurde aber zu keinem Zeitpunkt klar kommuniziert. Bewerber wurden weder von der Bewerberberatung noch von der Marketingabteilung über die Änderungen ihres ersten Studienjahres informiert.

 Nun wird niemand darauf beharren, Empirische Sozialforschung in Seminargröße erleben zu wollen. Es geht aber auch ums Prinzip. Die Studiengebühren sind nicht leicht zu stemmen, die Entscheidung pro ZU fällt entsprechend nicht immer ganz einfach aus. Von der Universität darf deshalb erwartet werden, dass Bewerber über die Umstrukturierung des Studiums zureichend informiert werden. Wenn nun ein Drittel, oder (wie im Falle des Autors) die Hälfte aller Veranstaltungen in Gruppen stattfinden, welche die üblichen Teilnehmerzahlen der angepriesenen Kleingruppen deutlich übersteigen, dann darf man sich durchaus verarscht vorkommen.

 Soweit zur Sache des Prinzips. Dieses ist allerdings nicht das einzige Problem. Wenn das Ziel der Umstrukturierung des Zeppelinjahres war, die Lehrqualität zu verbessern, oder diese zumindest durch eine effizientere Aufteilung der Gruppengrößen nicht negativ zu beeinträchtigen, so ist der Schuss nach hinten losgegangen. Die Lehrqualität ist in Fächern wie Wissenschaftstheorie zweifellos beeinflusst, wenn es den 130 angemeldeten Studierenden aufgrund des Formats schwerer fällt der Vorlesung zu folgen. Dem vorhandenen Diskussionsbedarf wird hier der Rahmen genommen, auf individuelle Interessen kann lange nicht so gut eingegangen werden wie in kleinen Kursen und wenn mit abnehmender Konzentration langsam aber sicher der Geräuschpegel steigt, bleibt inhaltlich kaum noch etwas hängen. Die Schuld daran liegt explizit nicht beim unterrichtenden Professor.

Dank der lautstarken Resonanz zahlreicher Erstis und des Einsatzes der studentischen Vertreter konnten in den letzten Wochen zumindest im Hinblick auf das nächste Semester und für die Studienstarter im Spring-Semester Verbesserungen erwirkt werden. So wird anstatt zweier nur noch ein Methodenkurs im Vorlesungsformat stattfinden. Auch das Bewerbermarketing soll dahingehend angepasst werden, dass die nächsten Erstsemester nicht mit falschen Erwartungen an die Uni kommen. Es zahlt sich also aus, den Mund aufzumachen und den Diskurs mit der Verwaltung zu suchen. Konfliktscheue bringt an dieser Universität niemanden weiter. Dieser Fall sollte allen Erstsemestern eine frühe Lehre gewesen sein, die ZU stets zu hinterfragen und zu verbessern. Der Universitätsverwaltung sei geraten, die Resonanz der Studierenden weiterhin ernst zu nehmen. Niemand beharrt auf Kleingruppen, wenn sie die Lehrqualität nicht verbessern. Ist jedoch das Gegenteil der Fall, müssen Veränderungen her.

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von Ruben Drückler