Es ist der 17.12., 00:00 Uhr – „Das Erwachen der Macht“ startet in den Kinos. Die Mitternachtspremieren des größten Films des vergangenen Jahrzehnts sind gut besucht mit aufgeregten Kindern jeden Alters. Phillip Käding war unter ihnen und beantwortet die wichtigsten Fragen am Tag des Erscheinens, ohne zu spoilern.
Hier geht es um Déjà-vus, die Liebe zum Film und die Schwierigkeit, ein Publikum zu bedienen, wenn dein Publikum die ganze Welt ist:
- Wenn ich als Star Wars-Fan den Kinosaal verlasse, schimpfe ich dann auf „Jar Jar Abrams“ und sehne mich nach Mos Eisley zurück?
Aufatmen, zum Glück nicht! Die treffendste, wenn auch unbefriedigendste Aussage über den neuen Star Wars ist: Er ist wirklich gut. Er enttäuscht den Fan nicht, und das nicht nur aufgrund der liebevoll eingearbeiteten Referenzen an die ursprüngliche Trilogie, sondern auch aufgrund des Zusammenspiels von Ensemble, Bild und Musik. Episode VII ist schön anzusehen.
- Wenn ich als Star Wars-Jungfrau ins Kino gehe, kann ich mit dem Film irgendetwas anfangen?
Spagat geglückt. Der neue Film ist voller Anspielungen auf Vorangegangenes, aber er ist auch der Beginn einer neuen Saga – und bildet ein rundes erstes Kapitel. Wem klar ist, wer Darth Vader ist, und wem es möglich ist, zwischen bösem Imperium (nennt sich jetzt „First Order“) und guten Rebellen (nennen sich jetzt „Resistance“) zu unterscheiden, der wird zwei Stunden lang Spaß haben und einen großartigen Film sehen. Fast so wie es gewesen sein muss, als man 1977 den ersten Star Wars ansah. Und damit sind wir beim Knackpunkt.
- Was hat Abrams gewagt und sind seine Experimente geglückt?
Abrams und sein Team haben etwas gewagt, was wohl kaum jemand für möglich gehalten hätte: Sie haben ein drittes Mal den Plot des originalen Star Wars Films verwertet. Was für ein Coup! Das Wagnis bestand darin, einen Film zu produzieren, der bloß niemanden enttäuschen sollte – schon jetzt kann man sicher sein, dass das gelungen ist. Aber das „Mehr“ fehlt, denn die Wahrheit ist: Episode VII ist deshalb so gut, weil der erste Star Wars gut war. Und die Filme sind verdammt nochmal identisch.
- Ist also gar nichts neu? Kein Schock?
Nun ja, ein kleiner: R2D2 wurde für die ersten 100 Bildschirmminuten wegrationalisiert. Der Droid von heute ist rund, hat ein integriertes Feuerzeug und kann apportieren. Das ist bloß nicht als Kritik aufzufassen, der neue Droid BB-8 ist familientauglich, witzig und hilfreich. Und psst, auf ihm sind streng geheime Informationen über die Rebellion gespeichert, die nicht in die Hände des Imperiums, also der First Order gelangen dürfen, denn es geht um eine Karte und… man siehe 3. Alles beim Alten.
- Wenn der Film nur die Neuauflage eines vierzig Jahre alten Weltraum-Märchens ist, warum soll ich ihn dann überhaupt anschauen?
Ach, wieder ein Wüstenplanet, ist der erste Gedanke. Doch als im Hintergrund die Behausung der Hauptdarstellerin als Wrack eines AT-AT zu erkennen ist und diese durch einen Sternzerstörer klettert, ist der Gedanke verschwunden, ein Lächeln schleicht sich auf die Lippen und alles ist gut.
Denn es gibt neben Harrison Ford, der Welt, in der die Star Wars-Geschichte spielt und dem Humor noch etwas, das Star Wars zum Gipfel der Popkultur getragen hat: der epische Flair. Und dieser zweistündige 3D-Blockbuster ist, so simpel er auch sein mag, ebenfalls einfach nur episch. John Williams‘ Musik und die liebevolle Gestaltung versetzen einen in eine nostalgische Aufbruchsstimmung (das fühlt sich genau so paradox an, wie es klingt). Und dass der Film als solcher funktioniert, liegt an den grandiosen Charakteren – die ehrlich gesagt um einiges interessanter sind als vor 40 Jahren.
- Und was können diese Newcomer?
Die beste Performance liefert Daisy Ridley; ihr Charakter ist fantastisch konzipiert. Sie schwingt sich zur weiblichen Hauptrolle auf, die Star Wars sechs Filme lang gefehlt hat. Dazu John Boyega; er spielt einen Deserteur, der nach 20 Jahren ohne Bezugsperson von verschiedenen Gefühlen überwältigt wird. Diese Figur hat noch viel Potenzial. Und der erfahrenere Adam Driver bringt mit Kylo Ren den Antagonisten aufs nächste Level. Hinter ihm verbirgt sich eine vielschichtige Geschichte, die sich in den zwei folgenden Filmen weiterspinnen lässt.
- Jetzt aber: Das Fazit?
Ich saß mit Herzrasen vor den vorbeifliegenden Eingangserklärungen, fieberte bei einer aufregenden Space-Odyssee mit und klebte noch am Sitz, als es schon vorbei war: Star Wars ist zurück. Jar Jar Binks, billige CGI, Midi-Chlorianer und Furz-Witze sind vergessen, die Prequels überwunden. Irgendwie schafft es dieser Film, mir eine alte Geschichte zu erzählen und mich dabei erneut zu fesseln. Denn diesmal ist einfach alles besser.
Somit ist Star Wars Episode VII sowohl im Hinblick auf seine Handlung, als auch auf sein Potenzial:
Eine neue Hoffnung.