Vom ehrgeizigen Wirtschaftsjournalist zum Konzernlobbyisten in Übersee und schließlich Chefredakteur eines Lokalblattes in die schwäbische Provinz. Ein Lebenslauf, den viele als inspirierend wahrnehmen, andere als abschreckendes Beispiel einer allzu linearen Karriere – interessant ist er allemal. Hendrik Groth, Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung und Mitinitiator des Bodensee Business Forums, war im Interview mit Futur drei.
Diesen Monat fand im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen das zweite Bodensee Business Forum unter dem Motto „Zukunftsvision für Europa“ mit zahlreichen namenhaften Gästen, überwiegend aus Politik und Privatwirtschaft, statt. Ausgerichtet wurde die Veranstaltung von Schwäbisch Media, dem Medienunternehmen mit Sitz in Ravensburg, dessen wichtigstes Produkt die Schwäbische Zeitung ist. Der Chefredakteur des regionalen Leitmediums ist vergangenes Semester als Interviewpartner zu Gast an der Zeppelin Universität gewesen und hat dabei neben seinem Werdegang auch die Organisation der im vergangenen Jahr nicht ganz unumstrittenen Konferenz thematisiert.
Wollte man Hendrik Groths Leben mit einem ähnlich schmissigen Slogan untertiteln wie ihn unsere Universität trägt, so lautete dieser vermutlich „zwischen Journalismus, Industrie und Lokalredaktion“. Wenn ein einfacher Blick auf seinen Lebenslauf auch offenkundige Brüche erkennen lässt, so plante Groth nach eigener Aussage seine Karriere zunächst minutiös durch:
Nach seinem Abitur absolvierte er eine Banklehre bei der Westdeutschen Landesbank in Düsseldorf. Das erworbene Wissen über die Finanzwirtschaft nutzte er im Nebenjob ab 1983 als Wirtschaftsredakteur bei Reuters. Es folgte ein Volontariat in Buenos Aires und die erste Festanstellung bei AFP (Agence France Press) in Bonn. Nach einem Wechsel zur dpa (Deutsche Presse-Agentur) folgte die Promotion als Politologe in Hamburg. 1996 dann der erste Karrieresprung: Groth wurde dpa-Büroleiter in Buenos Aires, wo er vier Jahre lang das Südamerika-Geschäft leitete. Nach einer weiteren Büroleiterstation in Nairobi von 2000 bis 2001 erreichte ihn ein Anruf der Süddeutschen Zeitung, die ihm den Posten des stellvertretenden Nachrichtenchefs in München anbot. Ex-Umweltminister Töpfer überzeugte ihn damals von der Süddeutschen: „Die Süddeutsche ist der Adelsschlag“. In München hielt es Groth jedoch nicht lange („München fand ich total überschätzt“). Er wechselte 2003 für fünf Jahre nach Essen, um dort als stellvertretender Chefredakteur für die WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) zu arbeiten, bis heute die größte Regionalzeitung Deutschlands.
2007 wechselte Groth dann zu Thyssen Krupp. Als renommierter Journalist einer Heimatzeitung im Ruhrgebiet hatte er laut eigener Aussage „gute Kontakte“ zu dem Industrieunternehmen. Die Position als Konzernrepräsentant lockte mit einer Rückkehr nach Südamerika und einem deutlich aufgebesserten Gehalt. Groth wörtlich: „Ich sagte mir, ohne finanzielle Probleme mal wieder nach Südamerika find ich nicht schlecht.“ Statt Öffentlichkeit zu generieren, stand für ihn von nun an die Öffentlichkeitsvermeidung auf der Tagesordnung. Ausgerechnet ein publik werdender und bis heute andauernder Skandal um den Bau eines Stahlwerkes nahe Rio de Janeiro wurde ihm dann jedoch zum Verhängnis. Ausufernde Kosten und Vorwürfe der massiven Umweltverschmutzung, die starke Proteste aus der lokalen Bevölkerung nach sich zogen, trugen die Geschehnisse in der Bucht von Sepetiba 2010 bis in den Bundestag. Das Vorhaben, welches bis dato von brasilianischen wie deutschen Politikern stets als Vorzeigeprojekt gelobt worden war, verlor an Unterstützern. Groth verriet im Interview seine etwas andere Sicht auf die Dinge: „Das Stahlwerk war effizient und dazu richtig gut, denn es bot 3.500 Mitarbeitern ein gutes Gehalt weit über dem ortsüblichen Lohnniveau“. Seine Erfahrung als Journalist, vor allem aber die damit verbundenen Kontakte konnte Groth für die notwendige Krisenkommunikation „super“ nutzen. Die ehemaligen Kollegen, die als Vertreter der großen deutschen Zeitungen aus Südamerika berichteten lud er zu einer Werksführung ein. Während der Begehung konnte Groth seiner Ansicht nach alle Vorwürfe entkräften, schließlich hätte man gemeinsam noch Fischreiher beobachten können, die in der Bucht auf Jagd waren. Ein Lehrstück aus dem Handbuch für erfolgreichen Lobbyismus.
Groths Ausflug in die Industrie endete 2010 als mit Teilen des Vorstands von ThyssenKrupp auch er weichen musste. Das vorzeitige Ende seiner Tätigkeit empfand er als Fügung: „Ich hatte Glück gehabt! Nach drei Jahren geht es noch. Man kennt noch die alten Kontakte und Strukturen, es verändert sich nicht viel.“
Zurück in Deutschland machte ihn der DPA Geschäftsführer, mit dem Groth bis heute befreundet ist, auf die vakante Stelle des Chefredakteurs bei der Schwäbischen Zeitung aufmerksam. Eine Freundin von der AFP stellte den Kontakt zur Schwäbischen her, dann ging alles ganz schnell: Seit 2011 leitet Groth nun die Schwäbische Zeitung. In seiner neuen Rolle als Chefredakteur hat er „viel Einfluss und Macht“. Damit meint er vor allem die große Gestaltungsfreiheit eines Chefredakteurs, der täglich mit der Redaktion 30-40 Inhalte abstimmen kann. Als Konzernrepräsentant sei Groth ein „Kaiser ohne Kleider“ gewesen. Nun kann er seine Stärken viel besser ausspielen. Dazu gehört vor allem das Talent zu schreiben, welches es Groth ermöglicht, einen Leitartikel in weniger als einer Stunde herunterzuschreiben. Sein typischer Arbeitsalltag beginnt um 6.30 Uhr mit dem Deutschlandfunk, ab 9.00 Uhr sitzt Groth im Büro und stimmt noch vor dem Mittag die ersten Berichterstattungen ab. Wenn nichts Besonderes passiert, ist Groth um 20.30 Uhr aus dem Büro raus. Im Spannungsfeld aktueller Herausforderungen des Journalismus versucht er die Schwäbische Zeitung als „soliden Golf“ aufzubauen, während eine Zeitung wie die Süddeutsche Möglichkeiten eines „nagelneuen 5ers“ hätte.
Teil seiner Strategie ist auch die Ausdifferenzierung der medialen Angebote und so gehören neben der Zeitung, verschiedener Anzeigenblätter, dem Regio TV und einer Medienakademie nun seit vergangenem Jahr das Veranstaltungsformat „Bodensee Business Forum“ dazu. Angesprochen auf die Kritik von studentischer Seite an der Organisation der Veranstaltung, die im letzten Jahr am Fallenbrunnen stattfand (Futur drei berichtete) reagierte Groth sichtlich beleidigt: „Von Studentenschaft und Professoren kam eine unverhältnismäßige Kritik. Die Leute, die da waren, hätten aber sonst kommerziell mindestens 300.000 Euro gekostet. Die ZU hat sie für Lau gekriegt“. Den Zweifeln an der Personalie des Hauptorganisators sowie zur allgemein chaotischen Organisation entgegnete Groth: „Wir übernehmen die Organisation nun selbst. Dieses Forum war eine Testnummer, dafür ist es echt gut gelaufen“.
Vom Gespräch mit Hendrik Groth bleibt insgesamt der Eindruck eines nicht unsympathischen Mannes mittleren Alters zurück, dessen größtes Talent darin zu liegen scheint, Interessen zu vertreten, am allerbesten natürlich die eigenen. Seine Tätigkeit für die Schwäbische Zeitung scheint er dabei fast schon im Hinblick auf die Rente zu betrachten: „Von meiner Haustür nach Italien sind es nur drei Stunden“.