Diese Woche widmet sich die Universität dem Thema Gesundheit und Leistungsdruck in der Health Week. Was steckt hinter dem Konzept und inwiefern ist es wichtig und vernünftig uns mit dem Thema als Studierende und Mitarbeiter auseinanderzusetzen?
In den Regalen der Supermärkte kann man zunehmend mehr Bio-Siegel bestaunen, sich durch die Gesundheits-Apps im Store zu scrollen dauert mittlerweile gefühlt länger als aufs Laden von Updates zu warten, und sogar Coca-Cola kleidet sich neuerdings grün. Das Thema Gesundheit gewinnt an Wichtigkeit in unserer Gesellschaft und scheint unseren Alltag mehr und mehr zu durchdringen. Stichwort Work-Life-Balance; ein Modebegriff, der den ausgleichenden Koordinations-Spagat zwischen Arbeits-, Privatinteressen und Freizeit beschreibt. Doch wie sieht dieser bei Studenten aus? Ziemlich akrobatisch. Zumindest liegt der Stresspegel beim Durchschnittstudenten an deutschen Universitäten höher als bei dem Durchschnittarbeitnehmer, wie eine von der AOK beauftragte und repräsentative Studie der Universität Hohenheim und Potsdam von 2014 bestätigt.
Übung macht den Meister und auch Stressbewältigung will gelernt sein. Die ZU fasst Gesundheit mehrdimensional auf und schreibt sich mit dem vierjährigen Bachelor auf die Fahne, Raum und Zeit für Persönlichkeitsentfaltung zu ermöglichen. Wir haben also länger Zeit, unser Studium abzuschließen. Dadurch sammeln wir Erfahrungen bei Initiativen und Praktika und üben praktisch, wie Balance zwischen Leitungsanforderungen, Engagement und Alltag bewältigt werden kann. Doch auch die soziale Komponente spielt in unserem Campus eine große und positive Rolle. Die überschaubare Anzahl an Studierenden ist zwar in den letzten Jahren gewachsen, aber ein Rundgang durch die Mensa beweist die immer noch grüßenden Gesichter. Und trotzdem beobachten einige ältere Semester, wie sich Kommilitonen im Vergleich zu früher immer länger in der Bibliothek aufhalten und Familienmitglieder ZU| beschäftigt rufen. Sollten wir vielleicht mehr auf uns achten?
Unsere Universität bietet einerseits eine familiäre Umgebung, weil wir uns untereinander kennen. Auf der anderen Seite können wir uns ständig gegenseitig beobachten und nehmen uns stärker wahr. Wie bekannt, hat die Medaille zwei Seiten. Das ist für manche ein Problem, die den eigenen Anspruch an sich haben sehr gut zu performen. Mit dem stetigen Vergleich wird es für sie schwieriger konstant Höchstleistung zu erbringen. Unser Studentischer Vizepräsident Martin hatte schon im Rahmen seiner Bewerbung angekündigt, dieses Thema sichtbar machen zu wollen. Er hat das Projekt der Health Week aktiv vorangetrieben. Die Health Week soll dazu dienen, die Studierendenschaft und auch die Mitarbeiter für das eigene Wohlbefinden zu sensibilisieren, Bewusstsein für die eigene Situation zu schaffen wie auch Lösungsansätze dafür zu fördern.
Auch Senator Jannis machte psychosoziale Gesundheit zu einem Thema in seinem Wahlkampf. Derzeit arbeitet er zusammen mit der Student Care, welche die Psyche der Studierenden in ihren Interessensmittelpunkt rückt, an einer Studie. Sie erstellen gemeinsam eine Umfrage für Personen, die sich belastet fühlen und über Druck klagen. Aus diesem Vorhaben sei es möglich für Interessierte weitere Forschungsarbeiten, wie eine Humboldt-Arbeit zu entwickeln. Die Student Care leistet mit ihrer professionellen und unabhängigen psychologischen Beratung einen großen Beitrag für die Gesundheit in und um den Campus. Doch auch weitere studentisch organisierte Initiativen wie der Hochschulsport, die ZU| First-Aid, das Buddyteam und queer@ZU bieten Angebote für körperlichen Ausgleich, Unterstützung und Selbstreflexion.
Dass die Universität selbstverständlich den Begriff der Gesundheit zur ihrer Aufgabe macht und auf die soziale Umgebung und persönliche Bewältigungsstrategien ausweitet, kann Sebastian nur unterstützen. Ihm fiel der soziale Einstieg in den ersten Semestern ziemlich schwer. Zu Schulzeiten war er jahrelang Opfer von Mobbing gewesen. Dies drücke sich in seinem Verhalten aus: „Es kostet mich immer noch viel Überwindung auf andere Leute zuzugehen. Außerdem schien ich die Small-Talk Regeln nicht richtig zu kennen, was mich als socially akward abstempeln ließ in meinem Semester.“ Sebastian kann die These des gegenseitigen Beobachtens in seinem Fall auch bestätigen: „Ich fühlte mich als Außenseiter sehr unwohl. Nicht dazugehören ist einfach viel präsenter in unserer kleinen Uni. Es entstand ein enormer Druck in der Uni, den andere wahrscheinlich nicht verstehen werden. Außerdem hat es nicht nur Auswirkungen auf das Wohlbefinden. Wenn jemand Altklausuren hatte, konnten die meisten davon profitieren, weil sie sie untereinander teilten.“
Sebastian appelliert daher dazu auf, die zu Beginn entstandenen Grüppchen bewusst zu öffnen und Achtsamkeit gegenüber Leuten zu pflegen, die nicht der Konformität entsprechen. Die Healtweek wirkt dieser Problematik entgegen mit den von der ZUFA organisierten Lunch-Connecticums. Durch Zufall wird täglich unter den angemeldeten gelost, wer gemeinsam zum Mittagessen speisen darf. Eine weitere Aktion zur Förderung von Integration stellt der Diversity-Day dar. Die AG-Diversität leitet unterschiedliche Workshops in die Wege, die unter Anderem unsere Umgangskultur im Internet oder die Frauenquote zum Inhalt machen. Für den leiblichen Körper werden diese Woche zusätzliche Sportangebote wie Pilates, Yoga und gemeinsames Jogging angeboten. Dazu gibt es gesunde Ernährung in Form von Smoothies und auch die Möglichkeit die Typisierung für eine Stammzellen-Spende durchzuführen.
Gesundheit ist ein weiter Begriff und umfasst unzählige Bereiche. Die Health Week als Brücke zur Sensibilisierung soll ein Anstoß sein, uns mit dem Thema aktiv auseinanderzusetzen und den Diskurs für neue Themenfelder zu eröffnen. Da benötigen vielerlei Schwierigkeiten, die uns plagen, eine Lösungsstrategie zum Druckablass. Hierzu gehören beispielweise der Umgang mit Zukunfts- und Prüfungsangst, Schuldenlast und geringe finanzielle Mittel wie auch die eigene Sicht zum Selbstbild. Für Leif gehört dazu auch, sich für einen neutralen Suchtberater einzusetzen, der allen Gruppen an der ZU zu Gute kommen würde: „Ich finde es wichtig, dass allen die Möglichkeit geboten wird, ihre Probleme anzugehen. Studenten sollten sich in einem geschützten Rahmen öffnen können, ohne zu befürchten ihren Dozenten bei einer öffentlichen Selbsthilfegruppe anzutreffen.“
Das neue Projekt der Health Week ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Das Thema Gesundheit rückt in den Mittelpunkt: neue Impulse werden gesetzt, Probleme thematisiert, Lösungsfindung angeregt. Die aktive Thematisierung verleiht unserem Wohlergehen Bedeutung. Eine wichtige Komponente, die uns selbst nach dem Studium in der Leistungsgesellschaft begleiten wird.