Am 3. Dezember 2018 um circa 19 Uhr wurde ein Teil der Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses öffentlich gehalten. Neben den geladenen Fachreferenten zum Thema „Sachstand, Strategie 2030 und Grundförderung der ZU“ tummelten sich einige Studierende und Mitarbeiter der Universität vor der Tür – genügend um jeden Platz sowie einige Bodenplätze auf den Besucherrängen zu füllen. Die Gründe für den vollen Saal: Die Finanzierungsstruktur der ZU soll sich ändern und der zusätzliche Budgetbedarf muss gedeckelt werden, der durch die Erfüllung der Auflagen des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur (MWK) langfristig entstehen wird. Als Geldgeber der Grundförderung der Universität (rund 30% der Gesamtkosten der Uni) muss die Stadt und damit der Gemeinderat über eine Erhöhung der Grundfinanzierung entscheiden. Die Dringlichkeit für die Erhöhung der Grundfinanzierung wird durch den Rückzug von ZF als weiteren Finanzier der Grundfinanzierung hinzu einem interessen- und projektgeleiteten Förderer der ZU noch verstärkt. Es ging also um viel – bezogen auf die Geldmenge sowie das zukünftige Bestehen der ZU als Universität.
Nach der Begrüßung aller anwesenden und Eröffnung des Tagungspunktes „ZU“, wurde die Agenda vorgestellt. Die Themen: Wirtschaftliche Lage, Strategie 2023, Auflagen des Ministeriums, Beschluss ZU-Stiftungsrat, Expertise/Zweitmeinung und Empfehlung an den Gemeinderat.
In einer kurzen Einführung wurden die zwei, seitens der Stadt formulierten Kernaufgaben der Universitätsführung seit 2015 nochmals genannt: Einerseits wirtschaftliche und finanzielle Konsolidierung und andererseits die Änderung und Neuausrichtung der Strategie. Neben vielen positiven Worten für die bisherige Arbeit von Frau Sjurts und ihrem Team (insbesondere bezogen auf die über vier Millionen Euro erwirtschafteter Rücklagen), fielen zahlreiche negativ belastete Seitenkommentare gegen die „Jansen-Ära“. Mit der Frage, ob die knapp 100 Millionen Euro, die seitens der 3 Zs (Zeppelin-Konzern, ZF Friedrichshafen AG und Zeppelin-Stiftung) seit Gründung in die Uni geflossen sind, angemessen sind, wurde das Wort an Frau Sjurts und Herrn Schmolz übergeben.
Zunächst ging es um die wirtschaftliche Lage der Universität. Die zwei Kernpunkte waren hierbei der Rückgang Reserven bis 2022 und eine angemessene Bezahlung (angepasst an staatliches Niveau) der (wissenschaftlichen) Mitarbeiter, sowie regelmäßige Gehaltserhöhungen. Seit der Gründung der Universität gab es erst eine einzige Gehaltserhöhung! Diese eine Gehaltserhöhung wurde unter der Führung von Frau Sjurts veranlasst und soll in Zukunft regelmäßig erfolgen. Aber das braucht Geld.
Im Anschluss folgte die Erläuterung der Strategie. Die Strategie orientiert sich insbesondere an der Erfüllung der Auflagen des MWK. Die Auflagen beziehen dich auf folgende fünf Aspekte (Zitat von präsentierten Folien):
- Stärkung des Forschungsprofils
- Stärkung der Forschungsleistung
- Erhöhung des Anteils hauptberuflicher professoraler Lehre
- Anpassungen in Ordnungen und Gremien
- Entlohnung wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Die ersten zwei Ziele finden sich in den „3 Säulen“ wieder. Die drei Säulen sind „integrierte Forschungsstrategie“, „integriertes Lehrstrategie“ sowie die „Nachwuchskonzept & Berufungspolitik“. Die erste Säule umfasst die Bildung „sichtbarer und zukunftsfähiger Forschungsschwerpunkte („Cluster“)“ (Zitat aus den Folien der Universitätsführung). Die Cluster umfassen die Themen „Governance globaler Kooperationsnetzwerke“, „Finanzmärkte“, „Entscheidungsforschung“, „Computational Science & Digital Humanities“ und „Transformative Kulturproduktion“ (Zitat aus den Folien der Universitätsführung). Daneben soll weiterhin Raum für individuelle Forschungsthemen sowie Themen in Kooperation mit der Region (die Universität als Transferzentrum) bleiben.
Die Säule der integrierten Lehrstrategie spiegelt sich in der Überarbeitung beziehungsweise möglicher Abschaffung bestehender und nicht stark nachgefragter Studiengänge sowie in der Neuschaffung von Studienprogrammen. Hier wurden insbesondere Änderungen im Master angesprochen, da sich dort die Studienstarter stark vermindert haben. Im Raum stehen ein Wirtschaftspsychologie-Master sowie ein nicht-konsekutiver Jura-Master. Zudem wurde erwähnt, dass die Studiengänge auch in Gesprächen mit Unternehmen entwickelt werden, da die Studiengänge beziehungsweise die Ausbildung an der ZU auch das Interesse der Unternehmen erfüllen soll.
Die dritte Säule bezog sich auf ein Konzept aus Senior- und Juniorprofessuren. Die Idee: Man bekommt nur sehr unwahrscheinlich Professoren im Zenit ihrer Karriere.
Die anschließenden Fragen drehten sich primär um den Nutzen der ZU in der Region sowie staatliche Finanzierungsmöglichkeiten. Letzteres war schnell beantwortet: Es gibt kaum etwas. Neben dem auslaufenden Hochschulpaket und den 1,3 Millionen Euro für das Kompassstudium bekommt die ZU keine staatlichen Mittel. Die Diskussion um ersteres war langwieriger. Die Differenzen zwischen einer eher technisch geprägten Region und einer von der ursprünglichen Idee sehr freien und querdenkenden gesellschaftswissenschaftlichen Universität kamen deutlich zum Vorschein. Es kam insbesondere die Kritik auf, dass keine Absolventen in der Region bleiben und die Studiengänge nicht in das Profil der Förderunternehmen passen. Es handle sich um die Investitionen in die ZU seitens der drei Zs in der Konsequenz um verlorene Investitionen. Dem widersprechend argumentierte Herr Gerstmann, dass die Studierenden heute schon wesentlich besser in das Profil von ZF passen würden als noch vor fünf Jahren. Später, nachdem das Thema der thematischen Diskrepanz immer wieder aufkam, warf im späteren Verlauf Herr Prof. Schulte ein, dass eine Universität auch nicht für die Region ausbildet. Aachen bildet auch keine Ingenieure für die Region rund um Aachen aus. So sei auch das Ziel der ZU nicht zwangsläufig als Dienstleister für die Region Arbeitskräfte auszubilden – auch wenn das Geld in der Grundfinanzierung aus der Region kommt. Dies bekräftigte auch Herr Gerstmann zu Ende der Sitzung nochmals. Die Mehrwerte einer Zeppelin Universität für die Region manifestieren sich an anderer Stelle.
Im Anschluss folgte das insgesamt sehr positive Gutachten von Herrn Prof. Schulte und Frau Dr. Koch. Die externen Gutachter wurden vom Gemeinderat mit der Frage beauftragt, wie sinnvoll, solide und fundiert die Neuausrichtung der ZU ist. Der Finanzplan sei solide, auch wenn unumgänglich mehr Geld erforderlich werden wird. Sie schätzen die Mehrkosten, die durch die Auflagen des MWKs entstehen, auf 2.801 Tausend Euro pro Jahr ein (ab 2021 nach Erfüllung aller Auflagen). Es wurde in der Schätzung aller zukünftigen Zahlen nicht mit einer Erhöhung der Spenden gerechnet. Daher sei auch die Forderung nach circa 30 Prozent der Mittel aus der Grundfinanzierung realistisch und für das Bestehen der ZU als Universität unbedingt nötig. Anders könne die Freiheit der Professoren für ihre Forschung nicht gewährleistet werden. Die Strategie der Forschungscluster wird als äußerst sinnvoll interpretiert. Allerdings wurde angemerkt, dass „Digitalisierung“ und „Globalisierung“ weiterhin sehr weitgefasste Themengebiete sind, die unbedingt noch weiter auf das Profil der ZU konkretisiert werden müssen. Zudem kam die Empfehlung auf, die Erwachsenenbildung (Executive Master) weiter auszubauen, da hier der Markt wachse. Dagegen ist Anzahl anderer neuer Studierender stagnierend beziehungsweise leicht rückgängig, was sich auch in der Anzahl der Studierenden an der ZU niederschlägt. Das größte Risiko sei allerdings der sehr sportliche Zeitplan für die Auflagen des MWKs (bei dem aktuellen Tempo unserer Berufungsprozesse eine berechtigte Sorge. Abschließend wurde der aktuellen Geschäftsführung ein großes Lob für ihre Arbeit seit 2015 ausgesprochen, sowie den Studierenden für ihr wirklich außergewöhnliches Engagement in der Region. Dieses studentische Engagement sei auch der Mehrwert, den die externen Gutachter für die Region sehen.
Die anschließende Fragerunde drehte sich erneut um den Mehrwert der ZU in der Region. Gefordert wurde ein konkretes und sichtbares Angebot der ZU für die Region. Es wurde Missmut ausgedrückt, dass Friedrichshafen eine Universität hat und dennoch die regionalen Nachwuchskräfte für Weiterbildungen nach St. Gallen gehen. Zudem sollten auch in der Forschung regionale Themen aufgegriffen werden.
Das finale Plädoyer von Herr Gerstmann war sehr stark für die ZU sowie ihre aktuelle Führung. Er wies erneut darauf hin, dass es bei dieser Entscheidung zur Finanzierung der Grundförderung als Aufgabe der Stadt und der Stiftung tatsächlich ganz grundsätzlich um das weitere Bestehen der Zeppelin Universität geht. Es solle sich auch bewusst gemacht werden, dass zu Beginn der FN-ZU-Geschichte die Entscheidung gefallen ist, eine Uni wie die ZU in der Region haben zu wollen. Des Weiteren wies auch Herr Gerstmann nicht vom Tisch, dass der ZU in der Zukunft auch weiter ein langer Wachstumsweg bevorsteht. Jedoch sei die ZU schon jetzt die „erfolgreichste private Universität Deutschlands“ (wörtliches Zitat Gerstmanns). Er empfahl abschließend, falls dies rechtlich möglich sei, die zu beschließende Finanzierung an die aktuelle Universitätsführung zu binden.
Der finale Entscheid über die Grundfinanzierung wird am Montag (10.12.18 um 18:30 Uhr im Rathaus) fallen. Die Grundstimmung schien positiv – auch wenn nicht bei allen Fraktionen.
Nun abschließend auch noch ein paar persönliche Eindrücke: Neben meiner Überraschung über die extrem ausgeprägte Anti-Jansen-Ära-Stimmung und der damit einhergehenden Ablehnung der Arbeitsweise und Strategie der ZU vor 2015, bewegt mich vor allem die mir an dem Abend verstärkt deutlich gewordene Diskrepanz zwischen der ZU und dem Gemeinderat als Vertretung der Stadt Friedrichshafen. Es scheint kaum vereinbar, die ursprüngliche Idee einer gesellschaftswissenschaftlichen Universität der disziplinlosen Querdenker und Neudenker mit einer von Technik und klassischem produzierendem Gewerbe zusammenzubringen.
Bezogen auf diesen Aspekt möchte ich kurz meinen Respekt vor der Arbeit der ZU-Geschäftsführung aussprechen, die sich diesem unvermeidlichen und unbequemen Spagat angenommen hat. Auch wenn ich weiterhin darauf hoffe, auch als Studierende auf den Wegen der Kompromissfindung auch außerhalb von Gemeinderatssitzungen mitgenommen zu werden. Vielleicht würde es mir dann leichter fallen, diese Kompromisse anzunehmen und mitzutragen – auch wenn sie mir eigentlich widerstreben.
ZU und Friedrichshafen, ein ungleiches Paar. Die ZU kann allerdings ohne Friedrichshafen nicht gedacht werden. Auch wenn die ZU-Familie, ob zugezogen oder hier schon länger lebend, verstreut in Friedrichshafen wohnt und immer wieder das Stadtbild sowie den Veranstaltungskalender prägt, ist die Stadt ist als unverzichtbarer Geldgeber nicht aus dem Unialltag wegzudenken. Ohne die Stadt gäbe es die ZU nicht. Vor dem Hintergrund kann ich die vom Gemeinderat aber auch von Bürgern (anonym) in Bürgerbriefen aufgeworfenen Frage, welchen Sinn und Mehrwert die ZU für die Region – insbesondere im Verhältnis zu den investierten Summen – hat, nachvollziehen. Was legitimiert die Ausgabe von Steuergeldern (neben den Stiftungsgeldern) für eine Einrichtung wie die ZU, die für einzelne Bürger der Stadt und damit die Steuerzahler keinen direkten Nutzen bringt? Insbesondere im Gegensatz zum neuen Schwimmbad – auch wenn ich persönlich eine Universität gesamtgesellschaftlich gewinnbringender finde als ein weiteres Schwimmbad. Das Schwimmbad war auch teuer, aber im Gegensatz zur ZU ist es danach für einen erschwinglichen Eintritt zugänglich und damit nutzbar für den Bürger. Und wie kommuniziert man einen abstrakteren Nutzen, der außerhalb der ZU-Familie nicht direkt erfahrbar ist? Kann man den Nutzen direkt erfahrbar machen? Was können wir als Studierendengemeinschaft machen, um unsere Universität Nicht-ZUlern in Friedrichshafen greifbar und nahbar zu machen? Was kann ich als Einzelne tun? Wie kann ich zur Übersetzungsleistung zwischen ZU und Stadt beziehungsweise Häflern beitragen? Eine Beantwortung dieser Fragen scheint mir schwierig, aber unverzichtbar, wenn nicht jede neue Finanzierungsrunde zu einer Zitterpartie werden soll und der Kern meiner persönlichen ZU als Ort der disziplinlosen Quer- und Neudenker langfristig eine Chance hat, auch institutionell weiterzuleben.
Die Stadt Friedrichshafen wollte eine Universität haben. Diese hat sie mit der ZU bekommen. Einigen im Stadtrat war wohl nicht klar, dass es hierfür langfristig gewaltige Summen braucht. Ohne die zusätzlichen Gelder hätten wir den Laden dichtmachen können. Das wäre volkswirtschaftlich sicherlich nicht im Sinne der Stadt FN gewesen und hätte auch innerhalb der Stiftung für Furore gesorgt. Folglich war es eine rein rationale Entscheidung. Wer eine Uni will, muss auch die Schatulle öffnen. Dass viele Häfler die zahlreichen Angebote der ZU nicht nutzen ist ihr Problem.
Festzustellen ist, dass eine richtige Entscheidung getroffen wurde. Sicherlich hat sich die Uni auch ein Stück weit von der Stadt in ihre Angelegenheiten reinreden lassen. Wir sind den Entscheidungsträgern daher keine übertriebene Dankbarkeit schuldig.